SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

„Freitags beten wir für den Frieden."
Das hat mir eine junge Frau aus Dresden erzählt. Freitags geht sie dort in die Kreuzkirche, um zusammen mit anderen für den Frieden zu beten. Immer in der Mittagspause, um 12.
Ausgerechnet in die Kreuzkirche. Die wurde bei dem Bombenangriff auf Dresden im Februar 1945 voll getroffen - wie viele andere Häuser in der Stadt auch. Tausende Menschen sind bei jenem Angriff gestorben. Auch viele Gemeindemitglieder der Kreuzkirche. Ins Gedächtnis der Menschen von Dresden hat sich jene Bomben-Nacht tief eingegraben.
Einige Jahre nach dem 2. Weltkrieg haben die Christen der Kreuz-Gemeinde mit Christen aus der englischen Stadt Coventry Kontakt bekommen.
Die Menschen in Coventry hatten auch so eine Bomben-Nacht, die sich ihnen tief eingebrannt hat: im November 1940 wurde ihre Stadt durch Bomben aus deutschen Fliegern zerstört. Auch hier kamen viele Menschen um.
Nach jener Nacht ließ ein Pfarrer in die Ruinen einer Kirche 2 Worte einmeißeln: „VATER, VERGIB!"
Ich staune. Er hat nicht aufschreiben lassen: „Räche uns." Und er hat auch nicht schreiben lassen: „Vergib den Feinden. Vergib denen, die uns das angetan haben."
Er hat sein Gebet viel weiter gefasst - so dass es jeden Menschen einschließt. Die Engländer und die Deutschen. Die Soldaten und die Zivilisten. Die Alten und die Jungen. Menschen damals und uns heute.
„VATER, VERGIB!"
Aus den beiden Worten in der Kirchenruine wurde später ein Versöhnungs- und Friedens-Gebet, das bis heute jede Woche gebetet wird: in der wieder aufgebauten Kathedrale von Coventry und in der wieder aufgebauten Kreuzkirche in Dresden. Jeden Freitag um 12 treffen sich da Menschen zum Gebet. Sie sagen damit:
Ich suche Frieden. Für dich und mich. Für Menschen in der weiten Welt und auch für meine Familie, meine Nachbarn. Ich möchte etwas tun für den Frieden. Und gerade dafür brauche ich Kraft und Mut.
Darum bete ich freitags für den Frieden.
Wie die junge Frau aus Dresden.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=15631
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