SWR2 Wort zum Tag

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„Gelobt seist du, mein Herr, durch unsere Schwester, den leiblichen Tod" - dieser Satz findet sich im Sonnengesang des Franz von Assisi. Das ist ein Gesang auf die Schöpfung, den Franziskus um 1200 gedichtet hat. Franziskus, ein tief gläubiger Mann, der den Tieren gepredigt und Aussätzige umarmt hat. Er sieht die ganze Schöpfung als einen Lobpreis Gottes: Sonne, Mond und Sterne, Wind, Wasser, Feuer und Erde. Auch durch liebende und verzeihende Menschen sieht er Gott verherrlicht. Und dann eben auch durch den Tod, den leiblichen Tod, den er „unsere Schwester" nennt. Der Tod als Schöpfungsgeschenk, der Tod als Schwester - das befremdet mich. Ich bin eher gewohnt, den Tod als Feind zu sehen, der mich bedroht, der mir Menschen genommen, Hoffnungen und Lebensfäden zerstört hat. Gegen den ich nur protestieren kann, wenn er junge Menschen trifft, wenn er als Mord und Gewalttat geschieht. Der Tod auch als etwas, das ich schwer mit Gott in Einklang bringe.
Daß Franziskus den Tod als Teil der Schöpfung sieht, läßt mich nach einer lebensfreundlichen Seite des Todes Ausschau halten. Und auch die weibliche Form, die Anrede „Schwester". Sie hat sicher einen grammatischen Grund: im Italienischen ist der Tod weiblich, wie übrigens auch das Leben. Aber es ist auch ein Anklang an die Frau, die Mutter, die das Leben zur Welt bringt. Die mit dem neuen Menschen dessen Kommen zur Welt durchlebt und durchleidet. Franziskus hat ja im Glauben an die Auferstehung den Tod als Geburt zu einem neuen Leben gesehen, und viele gläubige Menschen tun es mit ihm. Aber vielleicht läßt sich im Tod auch dann etwas Lebensfreundliches sehen, wenn wir die Hoffnung auf neues Leben nicht teilen können, vielleicht noch nicht teilen können. Tod dann als ein Ausweg. Tod als ein Tor hinaus aus diesem Leben, das irgendwann gelebt ist, weil es zu einer Last wird, oder weil es in einem guten Sinne genug ist. Tod gar nicht selten eben auch als Erlösung.
Leben geht zu Ende - das muß ich nicht nur als bedrohlich empfinden. Im Moment möchte ich leben. Im Moment fürchte ich den Tod. Wenn ich Franziskus singen höre „Gelobt seist du, mein Herr, durch unsere Schwester, den leiblichen Tod", dann öffnet das aber auch einen Spalt für andere Gedanken

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