SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Warum fällt es so schwer, vom eigenen Glauben zu sprechen? Das werde ich öfter gefragt. Wir Christen müssten doch unseren Glauben weitergeben an die nachwachsende Generation, sagen die Leute dann. Es ist ja kein Wunder, wenn der Glaube sich irgendwie auflöst, wenn wir ihn nicht weitergeben. Aber es ist so schwer, vom Glauben zu reden. Es ist so schwer, die richtigen Worte zu finden.
Warum ist das so schwer? Ich glaube, das kommt von diesem Gefühl: „Wir Christen müssten doch.." Als ob es Christenpflicht wäre, vom Glauben zu sprechen, so wie manche Sektenleute und neuerdings auch manche Muslime in der Fußgängerzone stehen und ihre Pflicht tun, indem sie Heftchen und Zeitschriften und Bücher verteilen. Als ob es darum ginge, eine Idee zu verbreiten oder Mitglieder zu werben für die eigene Gruppierung oder den eigenen Verein. Dabei sollte es doch eigentlich um die anderen gehen. Nicht um mich und meinen Verein oder meine Kirche. Die anderen Menschen liegen mir am Herzen. Meine Kinder zum Beispiel. Ich möchte, dass sie etwas haben, woran sie sich halten und sich orientieren können. Ich weiß von mir: Es tut mir gut, wenn ich beten kann „vergib mir meine Schuld". Ich weiß, wie es mich erleichtert, wenn ich sagen kann „dein Wille geschehe" und dabei darauf vertrauen, dass Gott es gut machen wird. Auch wenn ich vielleicht nicht verstehen kann, warum das gut sein soll, was geschieht. Deshalb habe ich meinen Kindern das Vaterunser beigebracht und überhaupt das Beten mit ihnen geübt. Ich weiß nicht genau, ob sie noch beten. Sie sind längst erwachsen. Aber sie könnten es, wenn sie es brauchen. Das finde ich wichtig. Und ich hoffe, wenn es nötig ist, dann hilft es ihnen so, wie es mir hilft.
Die anderen Menschen liegen mir am Herzen. Darum rede ich manchmal vom Glauben. Eine Frau hat mir weinend von ihrer Ehe erzählt und wie schlimm es da steht. Das ist die Strafe, sagt sie. Weil mein Mann und ich vor 30 Jahren die Ehe gebrochen haben. Das glaube ich nicht, habe ich ihr gesagt. Und habe ihr die Geschichte von dem jungen Mann erzählt, der so viel falsch gemacht hat und abgerissen und verzweifelt heim kam. Dem hat sein Vater nicht gesagt: Das musste ja so kommen. Sondern er hat ihm wieder auf die Beine geholfen und ihm einen neuen Anfang möglich gemacht. Jesus hat diese Geschichte erzählt und gesagt: So ist Gott. Deshalb glaube ich nicht, dass er Menschen straft für das, was 30 Jahre her ist. Der Frau mit ihrem Kummer ist wirklich ein bisschen ruhiger nach Hause gegangen. Ich habe ihr die Geschichte erzählt, weil ich gehofft habe, dass sie ihr hilft. Und das war nicht schwer.

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