Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Wer seinem Gewissen folgt und dabei gegen Gesetze verstößt, riskiert Ärger. Diese Erfahrung mußte vor über 60 Jahren auch der schweizerische Berufssoldat Max Waibel machen. Er wurde von seinen Vorgesetzten scharf gerügt, und das, obwohl es ihm gelungen war, den Zweiten Weltkrieg um mehrere Wochen zu verkürzen. Das Ganze kam so: Im Frühjahr 1945, als der Ausgang des Krieges längst entschieden war und große Teile Europas bereits vom Krieg gezeichnet waren, stand Norditalien die eigentliche Katastrophe noch bevor. Die deutschen Soldaten sollten in Norditalien auf Befehl Hitlers Straßen und Eisenbahnen sprengen, Fabriken und Krankenhäuser zerstören, Tausende von Gefangenen erschießen und sich dann in die Alpen zurückziehen. Die Vorbereitungen für diese Vernichtungsaktion waren schon abgeschlossen. Da erfuhr ein kleiner Kreis um den Schweizer Major Max Waibel von verhandlungsbereiten deutschen Offizieren. Die kleine Gruppe beschloss, sich auf eigene Faust um einen Waffenstillstand zu bemühen. Die Verhandlungen zwischen der deutschen Heeresleitung in Norditalien und den Allierten mußten geheim bleiben; außerdem brauchte man einen neutralen Vermittler. Der Berufssoldat Max Weibel war bereit, diese heikle Aufgabe zu übernehmen. Hinter dem Rücken der Schweizer Behörden vermittelte er zwischen den Deutschen und Alliierten. Er war sich bewußt, dass er damit seine Dienstpflichten verletzte, denn die Schweiz hatte sich zu strikter Neutralität verpflichtet. Doch Waibel stellte sein Gewissen über Befehl und Gesetz. Mehrmals trafen sich in seinem Privathaus Unterhändler beider Seiten. Nach wochenlangen zähen Verhandlungen geschah das Unglaubliche: die deutsche Heeresleitung in Norditalien unterschrieb am 28. April 1945 die Kapitulation. Tausende von Menschenleben wurden gerettet, Norditalien vor der Zerstörung bewahrt und der Zweite Weltkrieg um mehrere Wochen verkürzt. Auch wenn Max Waibel nach dem Krieg von seinen Vorgesetzten scharf gerügt wurde: Heute, an diesem 8. Mai, dem Jahrestag des Kriegsendes vor 62. Jahren, tut es gut, an diesen weithin unbekannten, aber mutigen Menschen zu erinnern.


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