SWR2 Wort zum Tag

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Das Schwierigste für mich, wenn ich im Supermarkt einkaufen gehe: Es gibt zu viel Auswahl - und von allem viel zu viel. Manchmal passiert es mir dann, dass ich anderes und mehr kaufe, als auf meinem Zettel steht. Genau das aber ist das Prinzip der Supermärkte: Sie wollen zum Kaufen verführen. Und damit das funktioniert, müssen die Theken und Regale immer rappelvoll sein. So voll, dass gar nicht alles verkauft werden kann, bevor es schlecht wird. Und was nicht verkauft wird, wandert dann eben in den Müll. Im Film »Taste The Waste«, auf Deutsch: »Probiere den Müll« zeigt der Autor und Regisseur Valentin Thurn, wie umfassend Essen verschwendet wird. In Deutschland enden mehr als ein Drittel aller produzierten Lebensmittel nicht im Magen, sondern im Müll. In Zahlen: 15 Millionen Tonnen Nahrungsmittel werden allein in Deutschland jedes Jahr vernichtet statt gegessen. Egal aus welchen Gründen das passiert - angesichts der Bilder, die ich in den letzten Wochen aus Somalia gesehen habe, ist das nicht zu verstehen. Da hungern Menschen zu Hunderttausenden - und bei uns landet Essen auf dem Müll. Im Film heißt es: Auf der Welt werden so viele Nahrungsmittel produziert, dass man die gesamte Bevölkerung der Erde dreimal damit ernähren könnte. Es ist zu viel zum Essen da - und dann doch zu wenig. Für mich ist das mehr als eine sachliche Zustandsbeschreibung. Es erzählt anhand etwas Alltäglichem, der Nahrung, wie es in unserer Welt aussieht. Es erzählt vom Überfluss. Und von einem unverantwortlichen Umgang damit. Und es erzählt vom Mangel. Nicht nur vom Mangel an Nahrung in vielen Teilen der Erde. Sondern auch von einem Sinnmangel. Denn Essen ist ja nicht nur Nahrungsaufnahme. Miteinander essen heißt, Gemeinschaft zu erleben, und das schafft Sinn. Jemanden einladen, sein Brot miteinander zu teilen, heißt auch immer, den anderen nicht zu vergessen. Sorgsam und ehrfürchtig mit Obst oder Gemüse umgehen heißt: Die Erde achten, die Arbeit der Menschen würdigen, die Nahrungsmittel produzieren. Letztlich heißt das: Essen als Schöpfung, als Geschenk und nicht als Produkt zu sehen. Der Film »Taste The Waste« fragt, wie wir es mit dem Sinn halten. Und das fängt schon beim Einkaufen im Supermarkt an.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=11563
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