SWR2 Wort zum Tag

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Der 50. Todestag von Dag Hammarskjöld, den wir in diesen Tagen begehen, wäre nicht so wichtig, wenn wir nicht sein Tagebuch hätten. Da gewinnen wir Einblick in das Leben eines erstaunlichen Menschen. »Zeichen am Wege« heißt es. Er selbst nannte es in der üblichen Diplomatensprache »Weißbuch meiner Verhandlungen mit mir selbst und mit Gott«. Beim Durchwandern dieser faszinierenden Textlandschaft finde ich immer wieder kleine Edelsteine und richtige Bergkristalle. Folgender kleiner Text hat es mir besonders angetan: „Keiner ist demütig als im Glauben. Denn die Masken der Schwäche und des Pharisäertums sind nicht der Demut nacktes Gesicht. / Keiner ist stolz als im Glauben. Denn die Spielarten geistig unreifer Anmaßung sind kein Stolz. / Demütig und stolz im Glauben: Das heißt zu leben, dass ich nicht in Gott bin, aber Gott in mir."
Der hochbegabte Hammarskjöld, immer ein Überfliegertyp, kannte die Gefahr gut, hochnäsig zu sein und auf andere herabzublicken. Aber auch der andere Straßengraben war ihm nicht fremd: Sich ständig zu hinterfragen und letztlich abzuwerten. Zwischen Grandiosität und Depression hat er jahrelang seinen eigenen Weg gesucht. Hier formuliert er, höchst spannend die Antwort: Nur, wer an Gott glaubt, so weiß er, kann gleichermaßen wirklich demütig sein, ohne sich schlecht zu machen, und er kann wirklich stolz sein, ohne sich zu überschätzen und andere herunterzumachen. In Gott, so bezeugt Hammarskjöld, findet der Mensch seine Mitte. Er muss nicht größer sein oder tun, als er ist; er muss nicht kleiner sein oder sich klein machen, nein, er steht als der im Leben, der er ist - Gottes Gegenwart im Rücken und unter den Füßen.
Das Wort Demut klingt altmodisch. Oft genug, so weiß Hammarskjöld, verstecken sich dahinter nur Feigheit und Schwäche. Dabei geht es ja um Mut, um den Mut, eine eigene Meinung zu haben und unverwechselbar ich selbst zu sein. Und dazu hilft der Glaube an den lebendigen Gott, der vom Ego-Stress erlöst. Und zum wahren Selbst führt. Nicht minder heikel ist die Sache mit dem Stolz. Bloß aufgeblasen und aufgemotzt sein, überzeugt niemanden. Wer sich aber dauernd dafür entschuldigt, dass er so ist, wie er ist, ist ziemlich unreif. Ob es unter Christen und in den Kirchen oft an beidem fehlt - an wirklicher Demut und an wirklichem Stolz? Hammarskjöld hat zu Lebzeiten durch eine innere Freiheit überzeugt, die ihn glasklar und zugleich weich sein ließ, entschieden und kompromissfähig: „Demütig und stolz im Glauben: Das heißt zu leben, dass ich nicht in Gott bin, aber Gott in mir".

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