SWR2 Wort zum Tag

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15. August, Mariä Himmelfahrt. Unvergesslich sind mir die Kindheitserinnerungen aus der Steiermark. Tagelang zuvor wurden Kräuter gesammelt, Blumen und Heilpflanzen. Schier alles, was weiblich war, war auf den Beinen, um Kränze zu flechten und Sträuße zu binden. Mariä Himmelfahrt ist ein wortwörtlich bodenständiges Fest, immer noch tief in der katholischen Bevölkerung verankert, jedenfalls in Süddeutschland. Hier verbindet sich der Dank an Maria mit dem Dank an die Mutter Erde.
Himmelfahrt ist in astronautischen Zeiten freilich ein missverständliches Bildwort. Sagen wir es also genauer: Maria ist mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen. Was alle Christen erhoffen, ist bei ihr definitiv schon wahr geworden: Ihr ganzes Leben ist in Gott geborgen und, wortwörtlich, aufgehoben. Er, der sich im Leben und Sterben Jesu Christi als treu erwiesen hat und bleibendes Leben schenkt, er tut dies für alle, die auf Christus hoffen. Wie sollte da die Mutter Jesu keine erste Adresse sein? Was mit Jesus von Nazaret begann und in ihm geglückt ist, das soll allen Menschen zugute kommen. Dass seiner Mutter dabei eine besondere Stellung zukommt, glauben Christen seit Urväterzeiten. Mit Vorliebe haben sie Mariä Himmelfahrt dort gefeiert, wo zuvor schon Erdmutter-Gottheiten verehrt wurden, zum Beispiel in Chartres oder in Altötting. Dabei wird Maria nicht als Göttin gesehen. Nein, wir feiern heute einen ganz normalen Menschen von nebenan - einen Menschen freilich, der den Mut und die Gnade hatte, sich total auf Gott zu verlassen und ganz empfänglich zu sein für sein Kommen. Maria ist der Prototyp des glaubenden Menschen: „Mir geschehe nach deinem Wort", heißt es schon in den biblischen Weihnachtsgeschichten. „Dein Wille geschehe", beten wir im Vaterunser. Deshalb freuen sich alle über die Lebensleistung dieser unbekannten Frau namens Mirjam. Ihr alltägliches Leben ist aufgehoben in Gott - angefangen von den Geburtsschmerzen bis hin zum Mitleiden am Kreuz. Einen so verhaltensauffälligen Sohn zu haben, war gewiss auch nicht leicht . Indem katholische und orthodoxe Christen heute auf die Himmelskönigin schauen, wissen sie sich auf die irdischen Verhältnisse verwiesen. Möge doch die Heilkraft der Mutter Erde, nein der Mutter Gottes, spürbar werden für alle und überall.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=11306
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