SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

Eine Frau steht vor einem Grab und weint. Ich käme nie auf die Idee, sie anzusprechen. Ich hätte das Gefühl, sie in ihrer Trauer zu stören. Jesus hat es ganz anders gemacht: er hat traurige, einsame oder isolierte Menschen meistens direkt angesprochen. So auch Maria Magdalena, eine Freundin von Jesus. Sie steht nach Jesu Tod an seinem Grab und weint. Sie weint, weil das Grab leer ist. Sie ahnt noch nichts davon, dass Jesus auferstanden ist. Sie gerät in Panik. Sie ist verzweifelt, weiß nicht, was hier vor sich geht. Als der auferstandene Jesus auf sie zukommt, erkennt sie ihn zunächst nicht. Jesus tritt vor sie hin und fragt ganz schlicht: „Frau, warum weinst du?" Jetzt kann Maria Magdalena ihre Sorgen und Fragen aussprechen. Sie kann ihren Schmerz und ihre Unsicherheit loswerden. Und dann erst gibt sich Jesus zu erkennen. Für ihn ist das fast schon typisch. In vielen biblischen Erzählungen kommt er erst mal mit den Menschen ins Gespräch. Jesus schaut sie an, will wissen, was sie wollen, denken, fühlen. Erst dann schreitet er zur Tat und hilft. In einer anderen Geschichte fragt er einen blinden Mann: „Was willst du, das ich dir tue?" Jesus stülpt nichts über, kommt nicht mit der fertigen Lösung. Er will erst mal wissen, was los ist.  Dadurch holt er traurige, einsame oder ausgeschlossene Menschen aus der Isolation. Er stellt sie in den Mittelpunkt. Dahin, wo sie schon lange nicht mehr sind und vielleicht auch nie waren. Wer fragt, gewinnt.

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