Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Ich kann mich noch gut daran erinnern, auch wenn es bereits einige Jahre her ist. „Sie müssen viel trinken, das ist wichtig, damit Sie nicht austrocknen!" - so sagte der Arzt zu meiner Mutter, als diese in der Klinik war. „Aber ich kann doch nicht so viel und andauernd trinken, wenn ich keinen Durst habe!", so erwiderte sie damals. „Dann sollten Sie schnell den Durst wieder lernen!", sagte der Arzt daraufhin.
Ich finde, dies ist so etwas wie ein Bild für unser Leben. Bei hitzigen Sommertemperaturen können wir dies natürlich noch besser nachempfinden: Da brauchen wir Durst nicht extra zu lernen. Dann ist er einfach da. Aber grundsätzlich gilt sicherlich: Durst hat mit unserem Leben zu tun! Wenn wir unserem Körper nicht genügend Flüssigkeit geben, so ist dies nicht nur unangenehm, sondern es macht sogar krank! Wie aber sieht es mit all dem anderen Durst aus, den ich auch habe: dem »Durst nach Ruhe«, dem »Durst nach Liebe«, dem »Durst nach Anerkennung« oder dem »Durst nach Wissen«? Im Getriebe des Alltags spüre ich vor allem den »Durst nach Ruhe, nach Erholung«. Und dann gibt es Lebensphasen, in denen mir mancher Durst abhanden gekommen ist; ich habe dann das Gefühl, dass manche Quellen versiegt oder Brunnen zugeschüttet sind. Das merke ich vor allem, wenn es nicht so läuft, wenn ich enttäuscht bin, Misserfolg habe. Da gilt es dann doch - im übertragenen Sinn -, was der Arzt vor Jahren bereits gesagt hatte: Wir sollten schnell den Durst wieder lernen. Ein offener, ein wacher Blick in die Zauberwelt der Natur, ein unbekümmertes Lächeln, ein spannendes Buch, sportliche Betätigung oder gute Musik haben da schon manchmal wie Wunder gewirkt.

 

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