SWR2 Wort zum Tag

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Die Welt ist unglaublich verwirrend. Viele Menschen erwarten da gerade von den Kirchen klare Positionen – fundierte Meinungen zu den drängenden Problemen unsere Zeit. Sicher: Die Standpunkte der Kirchen finden keineswegs ungeteilte Zustimmung. Aber wenigstens bieten die Kirchen klare Überzeugungen an – im Gegensatz zu vielen anderen Institutionen.
Umso erstaunlicher: Gerade in der Geschichte vom Sterben Jesu finden sich keine starken Typen mit unumstößlichen Überzeugungen. In den letzten Tagen vor Jesu Tod geben vielmehr wankelmütige Männer den Ton an. Zum Beispiel: Petrus. Pet-rus ist einer der Anhänger Jesu. Petrus heißt auf deutsch: Der Fels. Doch seinem Namen wird dieser Petrus nicht gerecht.
Die Bibel erzählt: Als Jesus verurteilt wird, treibt sich dieser Petrus vor dem Ge-richt herum. Er wartet, trifft andere Menschen. Man unterhält sich. Und Petrus wird erkannt. Dreimal sagt man ihm auf den Kopf zu: Du bist auch einer von den Jesus-Leuten. Petrus bestreitet das. Einmal, zweimal, dreimal. Petrus, der Fels, entpuppt sich als ausgemachter Feigling.
Trotzdem: Mich beeindruckt dieser Petrus. Weil er nicht als Superheld, sondern als ganz normaler Sterblicher auftritt. Auch ihm gehen die Treueschwüre leicht über die Lippen. Aber wenn’s drauf ankommt, knickt er ein. Und was mich noch mehr anspricht: Petrus verschließt nicht die Augen vor sich selbst, sondern er stellt sich seinem Scheitern. Schämt sich, geht mit sich ins Gericht. Ein Blick von Jesus reicht, als der aus dem Gerichtsgebäude kommt. Die Bibel erzählt: „Und Petrus weinte bitterlich“.
Petrus ist ein Heiliger, dem vieles zum Heilig-Sein fehlt. Gerade das aber macht mir Mut. Denn ich erlebe auch immer wieder, dass mein Reden und mein Handeln nicht übereinstimmen. Erlebe mich als gespalten: Ich will viel, kann es aber nicht immer verwirklichen. Bei Petrus lerne ich, dass das allzu menschlich ist.
Mehr noch: Zu diesem Petrus sagt Jesus: Du bist der Fels, auf den ich meine Kir-che bauen will. Ausgerechnet Petrus. Dieser Versager. Das heißt: Gott setzt nicht auf die Überflieger und Superstars. Gott wendet sich gerade den Menschen zu, die Licht- und Schattenseiten haben. Gerade ihnen traut Gott etwas zu.
Ich glaube: Das Wissen um das eigene Versagen und der Zuspruch von anderen sind wichtig, damit sich Überzeugungen einstellen. Erst die Auseinandersetzung mit mir selbst führt zu Standpunkten. Und der Zuspruch, dass ich angenommen bin, lässt mich Positionen finden.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=1036
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