SWR1 Begegnungen

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Schon zum zehnten Mal findet in diesem Jahr die Aktion Autofasten statt. Mehrere Bistümer und evangelische Landeskirchen im Südwesten Deutschlands laden dazu ein, in der Fastenzeit das Auto öfter mal stehen zu lassen, andere Verkehrsmittel zu nutzen, mehr zu Fuß zu gehen und so einen Beitrag zur Bewahrung der Schöpfung zu leisten. Fast 2000 Menschen machen dieses Jahr mit bei der Aktion. Eine von ihnen ist Hiltrud Wagner aus der Moselgemeinde Maring-Noviand. Bruno Sonnen hat sie besucht.
Gewohnheiten überprüfen, Verhaltensweisen ändern, die Beziehung zu Gott und den Mitmenschen überdenken, also: sich heilsam in Bewegung setzen, darum geht es in der Fastenzeit. „Heilsam in Bewegung kommen“ lautet auch das Motto der Aktion Autofasten.

Autofasten ist für mich ne gute Möglichkeit, über den Autoverkehr nachzudenken, weil ich beim Gehen eben auch auf die Straße schaue und sehe, was alles so los ist: in den Autos sitzt oft nur einer, die Autos sind in den letzten Jahren alle sehr viel größer geworden, was die Autofirmen ja auch mit betreiben. Ja, mir gehen dann so viele Gedanken durch den Kopf.

Zum Beispiel auch, wenn sie sieht, wie Eltern ihre Kinder mit dem Auto in den nahe gelegenen Kindergarten fahren, anstatt sie zu Fuß hinzubringen und wieder abzuholen.

Das tut mir ehrlich gesagt ein bisschen weh. Da denk ich immer: Wie schön wäre es, wenn sie zu Fuß gehen könnten mit der Mama, mit dem Papa, mit dem Opa, mit der Oma, und die Zeit, die Viertelstunde, denke ich, die müsste unbedingt drin sein. Und die Kinder würden auch lernen, dass das nicht normal ist, dass man überall mit dem Auto an- und zurückfährt. Vom Vorbild her fänd ich das sehr wichtig, vom Kindergarten an.

Die Aktion Autofasten ging in diesem Jahre vom 4. März bis zum 1. April. Hiltrud Wagner hat in dieser Zeit versucht, so viele Strecken wie möglich zu Fuß zu gehen, ansonsten Bus und Bahn zu benutzen. Dabei hat sie festgestellt: Autofasten ist kommunikativ. Begegnung ist möglich. Wer will, kann mit anderen ins Gespräch kommen.

Im Auto kann man das eigentlich überhaupt nicht. Man fährt vor der Haustüre weg, man fährt vielleicht in die Garage sogar rein, also da ist überhaupt nix, da findet gar kein Austausch statt. Und ich merk' s auch an den Begegnungen: Ich treffe überwiegend alte Leute, ältere Leute, und freue mich, wenn ich Kinder treffe. Ich finds wunderbar, Menschen aller Altersklassen zu begegnen und spontan interessante Sachen auszutauschen.

Hiltrud Wagner lebt in Maring-Noviand, einer 1500-Seelen-Gemeinde an der Mosel bei Bernkastel-Kues. Die Kritik am schlechten Angebot des Öffentlichen Personennahverkehrs auf dem Land teilt sie nur bedingt:

Also ich finde, der öffentliche Personennahverkehr ist echt besser als sein Ruf. Weil ich den sehr gut kenne, weiß ich, dass am Tag über ein sehr gutes Angebot besteht. Zu Schulzeiten, was ja auch Arztzeiten wären und so, sind die Möglichkeiten gegeben. Am Tag über sind wir eigentlich ganz gut versorgt, wenn man nicht von der Bequemlichkeit ausgeht, dass, man jetzt aus dem Haus gehen und sofort n Bus haben will, der kommt.

Tagsüber ordentlich, abends und nachts unzulänglich, bewertet die 58-Jährige das Busangebot ihrer Region. Will sie etwa zu einem Vortragsabend nach Bernkastel-Kues, hat sie ohne Auto keine Chance.

Ab 19 Uhr fährt dann nichts mehr. Und da komm ich dann noch hin, weil ich sage: Gut, bin ich eben ein paar Minuten eher da, kein Problem. Aber zurück komm ich nicht mehr.

Autofasten ist für Hiltrud Wagner ein ganz konkreter Beitrag zur Bewahrung der Schöpfung, deshalb hat sie mitgemacht bei der Aktion, die heute zu Ende geht. Doch die Fastenzeit ist für die verheiratete Mutter zweier erwachsener Kinder nicht nur Autofasten, sondern auch eine Zeit, sich bewusster mit sich und anderen zu beschäftigen, eine Zeit, anderen bewusst etwas Gutes zu tun.

Also ich beschäftige mich dann noch mit Texten. Ich bin überhaupt ein Textfreak, also der immer Texte suchen geht, die schön sind. Und ich schreibe noch mehr in der Fastenzeit an Menschen. Dann überleg ich: Wem hast du ganz lang nimmer geschrieben oder wem geht’s net so gut? Und wend mich dann Menschen zu, von denen ich weiß, die würden sich vielleicht freuen, wenn du denen einen Brief schickst.

Hiltrud Wagner ist jemand, der keine großen Reden schwingt, aber dort, wo ihn der liebe Gott hin gestellt hat, bescheiden, aber beharrlich seinen Beitrag für eine bessere Welt leistet.
Ich bin nicht beim Umweltgipfel dabei. Ich kann ja nur beeinflussen, was ich in den Händen habe und ich will meinen Beitrag einfach dazu leisten und hab auch versucht den Kindern das so weiterzugeben von früh an. Und ich bin auch der Ansicht, es fruchtet irgendwo.


Möglichkeiten etwas zu tun, hat jeder, findet sie.

Wenn man zum Beispiel auch regional einkauft. Es gibt Möglichkeiten, doch etliches regional einzukaufen. Wo man ein bisschen anders mit dem Autofahren umgehen kann, das wäre schon sinnvoll. Ich versuch Anstöße zu geben, aber ich bin nicht so der Typ zum Missionieren und überstülpen lässt sich eh keiner mehr heut was.

Hiltrud Wagner arbeitet als Teilzeitkraft in der kleinen Touristik-Information von Maring-Noviand. Als Christin und Touristikerin hat sie dabei ein ganz spezielles Angebot entwickelt, um auch jenseits der Fastenzeit das Bewusstsein für die Schöpfung zu stärken. Sie bietet den Besuchern Wandermeditationen an.

Außer, dass ich die Sehenswürdigkeiten vom Ort zeige, zeige ich ihnen Wege. Zum Beispiel einen ganz schnellen Weg jetzt, und vergleich das also mit der Autobahn des Lebens, wie schnell man da vorbei muss; an dem anderen vorbei, so ohne Rücksicht und, ja, Autobahn ist halt nur: Ich, jetzt komm ich, jetzt muss ich schnell voran – halt wie das oft im Leben auch ist. Und dann gehen wir an einen anderen Weg, der ist ganz schrottig, also da sind viele Steine, da ist viel Kraut. Und da sieht man, da werden einem im Leben auch Steine in den Weg gelegt. Und dann kommen Wege, die sind so schön. Rechts sind die tollen Weinberge, links ist eh nur schöne Natur und das erfreut uns. – Also immer so Vergleiche mit unserem Lebensweg. Und das spür ich bei den Menschen, die da mitgehen, also wirklich auch heilsam in Bewegung kommen, um das Motto des Autofastens auch zu nehmen. https://www.kirche-im-swr.de/?m=1001
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