Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Wir Christen reden von Vergebung. Aber wirklich vergeben ist schwer. Wie gehen wir mit Menschen um, die Schuld auf sich geladen haben, schwere Schuld sogar? Und was machen wir, wenn sie ihre Tat ernsthaft bereuen? Gerade kann man in der Zeitung davon lesen, wie schwierig das ist. „Einmal Mörder – immer Mörder.“ Über einen Pfarrer sagen die Leute das. Ein Pfarrer, der ein Mörder war, vor über 30 Jahren.
Damals war er 21 und hat in Schottland seine junge Ehefrau von einen Felsen gestürzt.
16 Jahre lang saß er dafür im schottischen Gefängnis. Erst nach der Tat wird ihm klar, was er getan hat. Er träumt davon, peinigt sich mit Selbstvorwürfen, beschimpft sich als Stück Dreck, als nutzloses Nichts. Heult und tobt - und dann beginnt er, in der Bibel zu lesen. Immer und immer wieder.
Worüber er sich früher lustig gemacht hat, jetzt wird es seine Rettung. Er liest von Schuld, und er liest von Vergebung. Er bekehrt sich und wird Christ. Vergebung verändert sein Leben. Im Gefängnis studiert er Theologie. Nach der Haft kehrt er nach Deutschland zurück und wird Pfarrer. Die Kirche weiß von dem Mord und dem Gefängnisaufenthalt und tut sich nicht leicht damit. Aber sie stellt ihn ein. Und er arbeitet lange Jahre mit Drogenabhängigen. Erst in diesem Jahr ist seine Vergangenheit durch einen Verwandten öffentlich geworden. Bis dahin war er ein unauffälliger, stiller Pfarrer. Und jetzt heißt es: „Einmal Mörder, immer Mörder.“ So jemand sei in der Kirche nicht tragbar. Aber wenn so jemand in der Kirche nicht tragbar ist, wo dann sonst? Natürlich musste ich auch zuerst mal schlucken, als ich davon in der Zeitung las. Aber wenn jemand ernsthaft bereut?
„... vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.“ Steht im Vater unser. Jesus hat es so gelehrt. Das wichtigste Gebet für uns Christen. Vergebung – neu anfangen. Auch wenn die Schuld so groß ist wie bei dem Pfarrer. Das ist möglich. Denn Gott vergibt Schuld. „Wir sind eine Kirche, die Vergebung predigt.“ Das sagt die Hamburger Bischöfin Jepsen zu diesem Fall.
Und verdient nicht jeder eine zweite Chance?
https://www.kirche-im-swr.de/?m=62
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