SWR2 Wort zum Sonntag

SWR2 Wort zum Sonntag

29OKT2006
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Verehrte Hörerinnen und Hörer,
vielleicht wird man in einigen Jahren sagen, dass die öffentlichen Debatten über den Islam im Jahre 2006 in unserem Land ein wichtiger Anstoß für einen offenen Dialog zwischen den Religionen gewesen sind. Ich habe den Eindruck, dass durch die Diskussionen der letzten Monate deutlich geworden ist, wie wichtig, aber auch wie schwierig ein wirklicher inhaltlicher Dialog ist. Der Papst hat – wie wir jetzt sehen - in seiner Regensburger Rede einen wichtigen Anstoß gegeben und dabei auch die Themen genannt, die für einen wirklichen Dialog unverzichtbar sind.
Da ist zum einen das Thema Religion und Gewalt. Auch die Christenheit hat eine Ge-schichte der Gewalt hinter sich. Aber bei allen Verirrungen in der zweitausendjährigen Geschichte der Kirche war theologisch immer klar, dass die Freiheit zum Glauben not-wendig dazu gehört. Welche Konsequenzen das hat, mussten die Christen manchmal mühsam lernen und akzeptieren. Es muss einen Konsens aller Religionen geben, dass Gewalt in Glaubenssachen keinen Platz haben darf. Wer Religionsfreiheit ablehnt, erklärt sich damit im Gespräch der Religionen für dialogunfähig. Das gilt auch für die Freiheit, die eigene Religion zu verlassen und einen anderen Glauben anzunehmen. Der Papst hat darauf hingewiesen, wie wichtig der Respekt vor der Glaubensüberzeugung aller Menschen ist. Das gilt für uns selbst, das gilt aber ebenso für die Länder, die sich selber als islamisch bezeichnen.
Ein weiterer Punkt des Dialoges ist das Verhältnis von Religion und Politik. Auch hier hat Europa eine lange Geschichte hinter sich und musste in schwierigen und manchmal hefti-gen Auseinandersetzungen lernen, dass zwischen Kirche und Staat unterschieden werden muss. Weder hat die Kirche das Recht, den Staat zu beherrschen, noch darf der Staat die Kirche für seine Zwecke in Dienst nehmen. Hierfür steht das zweite Gebot: Du sollst den Namen deines Gottes nicht missbrauchen. Das gilt natürlich für alle Lebensbereiche, bis in unser privates Verhalten hinein. Aber es gilt eben auch für das Feld der Politik, auf dem die Gefahr besonders groß ist, Religion zur Durchsetzung der eigenen politischen Ziele zu benutzen, Religion also zur politischen Ideologie zu machen. Das bedeutet nicht, dass der Glaube damit auf das persönliche Gefühl und den Bereich des Privaten abge-drängt werden müsste, im Gegenteil. Der christliche Glaube will öffentlicher Glaube sein und sich einbringen in die Gestaltung der Welt. Ein moderner Staat tut gut daran, die Kräfte der Religion zu achten und zu schätzen, ja zu fördern. Erst in einer solchen Per-spektive wird es vielleicht auch für den Islam eher möglich, die grundsätzliche Differenz von Staat und Religion zu akzeptieren.
Ein drittes Thema ist das Verhältnis von Religion und Vernunft. Die Kirche hat immer den Anspruch erhoben, den Glauben vor der Vernunft zu verantworten und aufzuzeigen, dass Glaube nicht irrational und unvernünftig ist. Eine Vernunftvorstellung, die das rationale Denken des Menschen einengt auf naturwissenschaftliche Vernünftigkeit verkürzt die Möglichkeiten des Denkens. Nur ein offener Vernunftbegriff, der den Blick auf Gott nicht ausschließt, kann auch den Weg bahnen zu einem echten Dialog zwischen den Religio-nen. Wie sollte überhaupt ein Gespräch zwischen Menschen möglich sein, auch zwischen religiösen Menschen, wenn nicht als Grundlage die gemeinsame Vernunftnatur aller Men-schen vorausgesetzt werden könnte? Dann könnte man nur noch nebeneinanderher spre-chen oder übereinander reden, aber nicht miteinander.
Wichtigste Voraussetzung für einen echten Dialog ist allerdings, dass die Gesprächspart-ner einen eigenen klaren Standpunkt haben. Deswegen sind die aktuellen Auseinander-setzungen auch eine Anfrage an die Christen selber, ob sie fähig sind zum Gespräch, ob sie wirklich Auskunft geben können über ihren Glauben und die christliche Lebensweise. Gott kann auf krummen Zeilen gerade schreiben. Vielleicht lernt Europa durch die aktuel-len Debatten, den Schatz des eigenen christlichen Glaubens neu zu entdecken und zu schätzen. Dann hätten die Auseinandersetzungen auch einen positiven Effekt gehabt.

Ich wünsche Ihnen einen schönen Sonntag. https://www.kirche-im-swr.de/?m=212
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