SWR4 Abendgedanken BW

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Ein Merkmal, ob die Kirchen im Sinne Jesu auch christlich sind, ist für mich die Ökumene. Ökumene, das sind die Bemühungen der Kirchen um die Einheit aller Christen. Das wurde nicht immer so gesehen, wie dieses Beispiel zeigt: 1578 wurde der Stadtrat von Amsterdam protestantisch. Die Katholiken waren gezwungen, ihre religiösen Versammlungen heimlich abzuhalten, in einem Zimmer, auf dem Speicher ihrer Häuser oder in einer Scheune. Anderswo war es wieder umgekehrt: Da mussten sich Protestanten vor den Katholiken verstecken. Um 1650 fingen nun die Amsterdamer Katholiken an, kleine Speicherkirchen zu bauen. Und so entstanden im Laufe der Zeit auf den Dachböden der großen Häuser richtige Gemeindezentren. Über 200 Jahre lang wurden sie benützt. Vermögende Kaufleute erbauten solche Notkirchen unter dem Dach ihrer Häuser. Eine dieser „versteckten“ Kirchen hat sich über die Jahrhunderte gehalten und ist heute noch in der Amsterdamer Innenstadt zu sehen. Im Volksmund heißt sie „Unser Herrgott unterm Dach“, eine Kirche mit barockem Hochaltar, etlichen Gemälden, wertvollen liturgischen Geräten, einer Orgel und Platz für etwa 200 Personen. All die anderen Kirchen „im Versteck“ sind längst verschwunden im freiheitsliebenden Holland. Aber sie mahnen alle, die Trennungen zementieren und alte konfessionelle Gräben erhalten wollen. Wo das geschieht: Ob da Gott noch da ist? Ich bin davon überzeugt, Gott ist da, wenn sich Christen im Gedenken an Jesus versammeln, seine Worte und Taten erzählen, sich seines Lebens und Sterbens erinnern. Wenn sie sich immer und immer wieder mit Jesus beschäftigen, ihm in den Evangelien nachspüren, seinen Geist entdecken. Und das sollte geschehen in Toleranz gegenüber denen, die das auch tun und möglicherweise zu anderen Erfahrungen kommen. Ich glaube, Gott ist da, wenn Christen dieses Lied aus dem Mittelalter beherzigen: „Ubi caritas et amor – Wo die Güte und die Liebe wohnt, dort nur wohnt der Herr.“ Und was die ökumenischen Bemühungen um die Einheit aller Christen anlangt, lässt ein Wort aus der frühen Kirche aufhorchen: „Lasst uns einander lieben, damit wir in Eintracht bekennen.“ – Man beachte die Reihenfolge!



https://www.kirche-im-swr.de/?m=177
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