Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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09MRZ2024
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Vor kurzem ist meine Schwiegermutter gestorben. Sie war schon lange krank und ihr Zustand hat sich nach und nach verschlechtert. Wir haben also Zeit gehabt, uns und unsere Kinder auf den Abschied vorzubereiten. Ich finde es wichtig, Kinder miteinzubeziehen, wenn es ums Sterben geht. Wir haben uns zum Beispiel gegenseitig erzählt, wie wir uns sterben vorstellen und das, was danach kommt.

An einem Tag sind wir dann ins Pflegeheim gefahren, um endgültig Abschied zu nehmen. Wir haben vorher vereinbart, dass die Kinder selbst bestimmen, wie lange sie bleiben wollen und jederzeit sagen können, wann sie gehen möchten. Unsere Kinder waren traurig, aber haben gleichzeitig gemerkt, dass ihre Oma schon ganz weit weg ist. Sie war nicht mehr ansprechbar, und es war nicht mehr die Oma, die sie kannten.

Nachdem wir gemeinsam eine Weile an ihrem Bett gegessen sind, haben wir das Zimmer verlassen und sind im Innenhof des Pflegeheims eine Runde Inlineskaten gegangen. Sterben findet ja mitten im Leben statt, das drumherum einfach weitergeht. Bei einem Zwischenstopp meinte meine Tochter: „Schade, dass Oma uns jetzt nicht zuschauen kann“. Mein Sohn hat dann nach oben geschaut in den blauen Himmel und gesagt: „Bald, bald guckt sie uns wieder zu“. Seine Schwester hat genickt „Ja, bald kann sie mit Opa im Himmel Kuchen essen!“ und dann: „Kuchen könnte ich jetzt übrigens auch essen!“. Wir haben dann also Kuchen gegessen und uns noch etwas über den Himmel unterhalten. Wenn er so ist, wie die Kinder annehmen, dann ist ihre Oma dort wirklich gut aufgehoben.

Einige Tage später ist die Oma dann gestorben. Die Kinder wollten bei uns im Garten unbedingt ein Grab für sie machen. Natürlich kein echtes, sie wussten ja, dass es dafür Friedhöfe gibt. Aber eines, um an die Oma zu denken. Ich gebe zu: Ich war zuerst skeptisch (- was werden die Nachbarn denken?). Ich habe meine Bedenken dann aber hinuntergeschluckt, weil ich gemerkt habe, dass es meinen Kindern sehr wichtig war. Wir haben also zusammen einen schönen Ort unter einem Strauch ausgesucht. Die Kinder haben Bilder gemalt, ein kleines Loch gebuddelt und ihre Bilder hineingelegt. Mein Sohn hat Blumen gepflückt und meine Tochter hat aus Zweigen ein kleines Kreuz gebastelt. Zufrieden sind sie dann im Garten vor ihrem Grab gestanden, die Sonne schien warm auf unsere Gesichter und ein Marienkäfer krabbelte auf einem Blatt.

Ich habe schon viele Beerdigungen erlebt. Aber noch kein Abschied hat mich mit so großem Frieden erfüllt wie der von meiner Schwiegermutter in unserem Garten.

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