SWR2 Lied zum Sonntag

SWR2 Lied zum Sonntag

19NOV2023
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Der Choral aus Mendelssohns Elias, den ich Ihnen heute vorstelle, besteht nur aus einem einzigen kurzen Satz. Er heißt: „Wer bis an das Ende beharrt, der wird selig.“ Das klingt kurz und knackig. Aber die Botschaft, die damit verbunden ist, die hat’s in sich. Nicht zuletzt, weil sie nicht so eindeutig zu entschlüsseln ist.

Wer bis an das Ende beharrt… Ist das die Parole eines Einpeitschers, der unser Durchhaltevermögen auf die Probe stellen will? Für mich eine unangenehme Vorstellung, weil ich gleich an Krieg denken muss. An Schlachten, wo man ohne Rücksicht auf Verluste Menschen in den Tod geschickt hat. Nur um durchzuhalten? So kann es nicht gemeint sein, weil das der Botschaft des christlichen Glaubens so entgegen steht wie kaum etwas anderes.

Der Text des Chorals steht wörtlich im Matthäusevangelium, also an einem Ort, wo aufbewahrt wird, wie Jesus gedacht und gelebt hat. Dort, im 24. Kapitel bei Matthäus geht es um das Ende der Welt, und dabei ist auch von Krieg die Rede. Er ist dort ein Indiz dafür, dass die Welt aus den Fugen geraten ist, dass sie auf ihr Ende zusteuert. Das haben die Menschen damals, vor zweitausend Jahren erwartet. So kann es nicht weitergehen. So unmenschlich, so böse, so brutal wie die römischen Besatzer vorgehen. Das Ende der Welt erwarte ich heute nicht. Obwohl sich gar nicht sehr unterscheidet, wie es bei uns zugeht. Ich hoffe trotzdem, dass die Menschheit noch eine große Zukunft vor sich hat. Und dabei will ich beharrlich bleiben. Bis an ein Ende, von dem ich nicht weiß, wann es kommen wird.

Ist das womöglich blauäugig und ich übersehe die klaren Hinweise auf eine Katastrophe? Der Himmel hat sich wieder verdunkelt. Menschen gehen in sinnlosen Kriegen aufeinander los. Abertausende Menschen sind heimatlos und ziehen in großen Strömen umher, um endlich den Platz zu finden, wo sie in Ruhe schlafen können. Wir leben zu oft so, als hätten wir alles unbegrenzt zur Verfügung.

Trotzdem kündige ich hier nicht den Untergang der Welt an. So wenig wie Mendelssohn in den zarten Tönen seines Oratoriums über den Propheten Elija. Wer bis an das Ende beharrt, der wird selig. Das verlangt Ruhe und Geduld. Zumal, wenn man nicht weiß, wie lange man aushalten muss. Gleichzeitig nütze ich die Gelegenheit, um den Zeigefinger zu heben. Wie Elija es einst getan hat. Wie ich auch den Satz des Matthäus verstehe: Mensch, bedenke das Ende! Und halte dich an das, was gut ist – für dich und andere. Verlass dich darauf, was dir Halt gibt. Lass dich nicht hineinziehen in den Strudel von Hass und Gier und Neid. Bleibe beharrlich, halte durch mit dem, was du als gut und menschlich erkannt hast. Dann wirst du selig sein, so sein, wie Gott dich gewollt hat.

 

Musikaufnahme

Felix Mendelssohn-Bartholdy, ELIAS, op. 70
N°32 Wer bis an das Ende beharrt, der wird selig

La Chapelle Royale | Collegium Vocale | Orchestre des Champs Élysées
Philippe Herreweghe

Harmonia mundi  France 1993   |   HMC 901463.64

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