SWR2 Wort zum Tag

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28OKT2023
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Was müsste eigentlich passieren, dass kein Mensch mehr an Gott zweifelt? Wie müsste Gott sein, dass ich mir ganz sicher sein kann, dass es ihn gibt? Wahrscheinlich müsste man Gott filmen oder fotografieren können, ihn sehen und anfassen, oder mit ihm direkt in Kontakt treten können.

Das ist aber schwierig. Um Gott sehen zu können muss er ja irgendwie aussehen. Aber wie soll er denn aussehen - wie sieht etwas aus, das überall und allmächtig ist und der Ursprung von allem? Wie ein riesiger Berg, wie eine Sonne, wie der mächtige Darth Vader aus „Krieg der Sterne“?

In der Bibel steht übrigens, dass es Gott damit schon probiert hat. Aber so richtig überzeugend war´s wohl nicht. Im Alten Testament hat er sich als Wolke, als Feuersäule oder als brennender Dornbusch gezeigt. Im Neuen Testament sogar als Mensch, nämlich Jesus. Dieser Versuch war sogar ziemlich erfolgreich, denn es ist eine große Bewegung daraus entstanden. Aber selbst viele von denen, die ihn live erlebt haben, haben noch gezweifelt. Wie könnten wir dann nicht zweifeln, wenn Jesus schon so lange nicht mehr greifbar ist.

Jesus selbst wusste auch, dass es schwierig ist Gott darzustellen. Er hat sich mit Metaphern geholfen und Gleichnisse vom Reich Gottes erzählt. Es sei wie ein Senfkorn, wie ein Schatz im Acker oder wie ein Festmahl.

Aber jetzt kommt die zweite große Schwierigkeit dazu: Gott hat den Menschen als intelligentes Wesen mit freiem Willen erschaffen. Das heißt, wir sind fähig zu interpretieren und auch zu unterschiedlichen Ergebnissen zu gelangen. Nicht jede sieht in einem brennenden Dornbusch Gott. Nicht jeder nimmt Jesus ab, dass er Gottes Sohn ist. Die einen macht die christliche Botschaft froh, die anderen engt sie ein.

Aber hätte Gott die Menschen anders erschaffen, zum Beispiel als einheitliche Abnicker, dann wären wir ja nichts weiter als Marionetten – unfrei, vorherbestimmt und dem Willen des Puppenspielers unterworfen. Ich glaube aber, dass Gott in uns ein Gegenüber sieht, mit dem er in Beziehung treten kann. Und offenbar ist ihm das so wichtig, dass er in Kauf nimmt angezweifelt zu werden. Zweifeln und glauben und frei sein – für mich gehören die drei einfach zusammen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38654
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