SWR2 Wort zum Tag

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27OKT2023
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Der Satellit Keo soll so etwas wie eine fliegende Zeitkapsel sein. Zumindest hat das die Projektgruppe um den französischen Weltraum-Künstler Jean-Marc Philippe  so geplant. Der Satellit Keo soll mit einer Ariane-Rakete ins All gebracht werden und dort in fast 2.000 Kilometern Höhe seine Bahnen ziehen. Das Besondere daran: der Satellit beobachtet nicht, er funkt nicht und er misst auch nichts. Alles, was er tut: Er soll 50.000 Jahre lang die Stellung in seiner Umlaufbahn halten, um dann wieder auf die Erde zu stürzen. Er soll den Menschen oder Lebewesen, die dann vielleicht die Erde besiedeln, zeigen, wie wir heute gelebt haben. Keo ist also so etwas wie eine moderne Flaschenpost. Allerdings wurden die Starts von Keo immer wieder verschoben. Zurzeit ist gar nicht sicher, ob er überhaupt noch starten wird.

Alle Infos in Keo sind gut geschützt durch eine Titan-Kugel,  und alles ist so konstruiert, dass es kosmische Strahlen und extreme Temperaturen aushalten kann. Keo transportiert einen Diamanten, in dem jeweils ein bisschen Meerwasser, Luft, Erde und Blut eingeschlossen sind. Dazu ein menschliches Genom, eine Datensammlung über alles, was wir heute wissen und Fotos von Menschen aller Kulturen.

Und dann hat Keo noch etwas dabei, was mich unheimlich fasziniert: die Projektgruppe sammelt seit vielen Jahren Botschaften von allen Menschen, die Lust drauf haben. Man darf schreiben, was man will, und alles kommt unzensiert und kostenlos mit. Ist das nicht gleichzeitig verrückt, verwirrend und auch kühn?

Wenn ich mir das alles vorstelle, dann fühle ich mich einerseits ganz klein und unbedeutend. Und auf der anderen Seite wird mir bewusst, dass auch ich Teil dieser Zivilisation bin, die gerade lebt und handelt, die liebt und verschandelt, die gestaltet und verwüstet. Ich spüre, dass ich mit verantwortlich bin für unseren Planeten, und was wir späteren Generationen hinterlassen. Und mir kommen natürlich auch Fragen: Wie wird die Erde in 50.000 Jahres wohl aussehen? Gibt es überhaupt noch Menschen? Oder hat sich eine andere Spezies durchgesetzt?

Und dann hab ich´s natürlich ausprobiert. Auf www.keo.org* habe ich auf den Briefumschlag gedrückt und dann erstmal lange vor dem weißen Feld gesessen. 6000 Zeichen sind erlaubt und ein paar Anläufe hat´s schon gebraucht für die Frage: Wie möchte ich unseren Nachfahren in Erinnerung bleiben?

*Die genaue URL für persönliche Botschaften lautet: http://www.keo.org/uk/pages/message.php

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38653
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