Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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29AUG2023
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Wie im Himmel, so auf Erden – so heißt es im Vater Unser, dem wichtigsten Gebet der Christenheit. Aber der Glaube an einen Himmel, an Gott oder ein Jenseits – das verliert mehr und mehr an Bedeutung in unserer modernen und vielfältigen Welt. Und auch ich habe mich schon gefragt, ob das noch zeitgemäß ist. Ich war schon fast so weit, den Leuten zuzustimmen, die sagen: Der Himmel, das ist eine Erfindung der Kirche, um von den Problemen hier auf Erden abzulenken. Anstatt also himmlische Zustände herbeizusehnen, sollten wir lieber ganz bodenständig selbst anpacken und dafür sorgen, dass es auf Erden gerecht zugeht.

Aber so einfach ist es nicht. Das habe ich gemerkt, als ich vor kurzem abends spazieren gegangen bin. In meinem Kopf tanzten sorgenvolle Gedanken. Meine Umgebung habe ich gar nicht richtig wahrgenommen. Und plötzlich lag da ein Stück Himmel direkt vor mir auf dem Boden. So sah es zumindest aus. Eine spiegelglatte Pfütze hatte sich auf dem Feldweg gebildet. Und hat perfekt ein Stück Himmel widergespiegelt: Weiß-graue Wolken, noch leicht rötlich gefärbt von der Sonne, ein paar blaue Stellen hier und da… Merkwürdig, plötzlich in den Himmel zu blicken, obwohl ich doch auf den Boden gestarrt hatte.

Ich bin verblüfft stehen geblieben, und der Satz aus dem Vater unser ist mir durch den Kopf geschossen: „Wie im Himmel, so auf Erden“. Eine Gebet, eine Sehnsucht und die Bitte an Gott, es möge doch alles gut werden. Frieden auf der Erde, kein Leid, keine Krankheiten - so, wie in der himmlischen Welt Gottes.

Sehnsucht gehört eben doch zu mir und zu uns Menschen – egal wie  bodenständig wir sonst auch sein mögen. Sehnsucht nach einer heilen Welt und Frieden. So unerreichbar weit entfernt wie der Himmel und die Wolken von dem Feldweg, auf dem ich stand. Unerreichbar – und wenn wir Menschen uns noch so sehr anstrengen, mit unseren modernen Mitteln die Erde zu einem besseren Ort zumachen.

Das Stück Himmel zu meinen Füßen hat mich an dem Abend aus meinen trüben Gedanken herausgerissen. Ich habe nach oben geschaut in die Weite – und das hat gut getan. Ich habe den Kopf frei bekommen und auch wieder etwas Zuversicht. Wie im Himmel so auf Erden? Eine unerreichbar entfernte Sehnsucht? Das wollen wir doch erst einmal sehen! Denn gerade aus der Sehnsucht nach himmlischen Zuständen kann ich die Kraft schöpfen, ganz bodenständig etwas zu tun, damit die Welt zu einem besseren Ort wird.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38330
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