Glaube – Gott – Kirche: Scheinbar verlieren diese Begriffe mehr und mehr an Bedeutung in unserer modernen und vielfältigen Welt. Und auch ich habe gedacht, dass ich manche alten Vorstellungen für meinen christlichen Glauben eigentlich nicht mehr brauche. Zum Beispiel den Glauben an eine Hölle. Ich hatte schon immer ein Problem mit dieser Vorstellung: dass Gott einen Ort eingerichtet haben soll, an den er Menschen nach ihrem Tod ganz gezielt schickt, um ihre Seelen für alle Ewigkeit zu quälen, selbst, wenn sie das verdient hätten.

Ich war schon fast so weit, den Leuten zuzustimmen, die sagen: Früher haben es die Menschen eben nicht besser gewusst. Oder die meinen, die Hölle sei eine reine Erfindung der Kirche, um die Gläubigen zu erschrecken, zu manipulieren, ihnen das Geld aus der Tasche zu ziehen und um sie zu beherrschen. Heute seien wir alle klüger, aufgeklärter, rationaler – und die Hölle in modernen Zeiten überholt und überflüssig.

Aber so einfach ist es nicht. Das merke ich, wenn ich abends vor dem Fernseher sitze. Und Berichte sehe, zum Beispiel über Soldaten in Saudi -Arabien, die an der Grenze zum Jemen ganz gezielt Flüchtlinge erschossen haben. Gezielt: Männer Frauen und Kinder. Ich sehe eine Reportage über einen Mädchenhändler-Ring. Über Männer und auch Frauen, die kleine Mädchen kaufen oder entführen, sie zur Prostitution zwingen und sich damit goldene Wasserhähne für ihre abgeschotteten Palästen verdienen – weit weg von jeder Staatsgewalt oder der Polizei. Es ist völlig klar: Niemals werden die Drahtzieher für ihre Taten zur Verantwortung gezogen werden. Kein höheres Schicksal wird sie treffen. Nein, diese Täter werden reich und fett in ihren Betten sterben – und ich spüre, wie in mir die Sehnsucht aufkeimt, dass es doch eine Hölle geben möge. Für alle, die jemals ihre Mitmenschen so barbarisch gequält haben.

Ich erschrecke dann vor mir selbst. Davor, dass ich Rachegelüste habe, und mir die Hölle zurückwünsche, an die die Menschen früher noch geglaubt haben.

Ich glaube immer noch nicht an die Hölle. Jedenfalls nicht so richtig. Und ich bin ganz froh darüber, denn ich will nicht rachsüchtig werden. Das steht mir einfach nicht zu. Und in der Bibel heißt es: „Die Rache ist mein, spricht Gott, der Herr.“ Gott wird einen Weg für die Gerechtigkeit finden – vielleicht auch ohne Hölle.