Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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23AUG2023
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Die Erde geht auf. Seit ich mich erinnern kann, hängt das Bild vom Erdaufgang bei meinen Eltern im Treppenhaus. Es zeigt eine blaue Halbkugel vor einem tiefschwarzen Hintergrund. Und im Vordergrund eine grau-braue pockennarbige Wüste. Ein spektakuläres Foto. Weil es unseren Planeten aus einer völlig neuen Perspektive zeigt. Weil es den Aufgang der Erde über dem Mondhorizont festhält. Aufgenommen hat es der Astronaut William Anders 1968 während der Apollo 8-Mission. Als er die Erde im Seitenfenster der Raumkapsel sah, konnte er nur stauen: „Oh, mein Gott! Seht euch dieses Bild da an! Hier geht die Erde auf. Mann, ist das schön!“ Und dann zückte er die Kamera.

Zwei Jahre zuvor, am 23. August 1966, hatte bereits die unbemannte Mondsonde Lunar Orbiter 1 das allererste Foto des Erdaufgangs geschossen. Ein schwarz-weiß Foto. Es zeigt die Erde als eine schmale Sichel, die über der Kraterlandschaft des Mondes schwebt.

Bis heute sind das zwei faszinierende Fotos. Fotos, die zu den Gründungsdokumenten der Umweltbewegung gehören. Kein Wunder: Auf den Bildern erscheint die Erde zerbrechlich und gefährdet. Kopfschüttelnd frage ich mich, wie man da nicht alles tun kann, um Umweltzerstörung und Klimakrise aufzuhalten. Wie man da Kriege führen kann.

Die Erde geht auf. Das Bild hat mich geprägt. Es lässt mich stauen und macht mich demütig. Ich staune darüber, wie wunderbar unser Planet ist. Ich werde demütig, weil zu sehen ist, wie diese winzige blau-weiße Kugel durch ein riesiges Universum rotiert. Alle Probleme dieser Welt erscheinen da fast schon lächerlich.

Und so hat das Bild von der aufgehenden Erde auch ganz praktische Bedeutung für mich. Es erdet mich, wenn ich einen Streit, einen Satz, eine Situation für gewichtiger halte, als sie wahrscheinlich sind.

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