Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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22AUG2023
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Die Ferienzeit macht mal wieder deutlich: Es gibt keine weißen Flecken auf der Landkarte mehr. Zu Fuß, mit dem Fahrrad, mit Zug, Auto und Flugzeug: Heute kann man wirklich an praktisch jeden Ort der Welt reisen.

Es ist gar nicht so lange her, da war das noch anders. Davon erzählt das Buch Der Erfinder der Seidenstraße. Erzählt wird die Geschichte von Ferdinand von Richthofen. Der Geograph bereist im 19. Jahrhundert China. Er zeichnet detaillierte Karten einer Welt, die damals in Europa praktisch unbekannt war. Zwei Herzen schlagen in Richthofens Brust: Das Herz des Entdeckers, den die weißen Flecken auf der Landkarte reizen. Und das Herz eines Nationalisten, der für den deutschen Kaiser nach möglichen Kolonien sucht.

Bei der Lektüre ist mir klargeworden: Wenn ich von weißen Flecken auf der Landkarte spreche, dann rede ich aus meiner Perspektive. Aus einer deutschen und westlichen Perspektive. Denn weiße Flecken auf der Landkarte, die sind nur für die Menschen weiß, die da noch nicht waren. Richthofen etwa kommt auf seiner Reise durch China in Gegenden, in denen bereits seit Jahrhunderten Menschen siedeln. Für Richthofen weiße Flecken, für die dort lebenden Menschen ihre Heimat.

Das Buch hat mir wieder einmal deutlich gemacht: Meine Perspektive ist oft genug beschränkt. Ich gehe von mir aus und dem, was ich denke und weiß und glaube und fühle. Oft genug vergesse ich, dass das, was für mich ein weißer Fleck ist, für andere alltäglich ist. Perspektivwechsel ist da angesagt: Beim Urlaub in fremden Ländern, beim Umgang mit anderen Menschen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38214
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