SWR2 Wort zum Tag

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28AUG2023
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Ganz egal, ob es um Sterbehilfe geht, den Krieg in der Ukraine, steigende Zahlen von Migranten oder den Klimawandel: Alles komplexe Probleme. Und doch werden die oftmals nach einem einfachen Schema beantwortet: Entweder etwas ist gut oder schlecht, richtig oder falsch, rechts oder links.

Gut oder Böse – ein altes Denkmuster. Das ist bereits im frühen Christentum präsent. Etwa bei Augustinus von Hippo. Heute ist sein Todestag.

Augustinus lebt im 4. Jahrhundert. Als junger Mann vertritt er eine echte Entweder-Oder-Philosophie. Die Welt ist getrennt in Gut und Böse. Zwischentöne? Fehlanzeige. Dualismus heißt das im Fachjargon.

Doch dann erfährt Augustinus am eigenen Leib, dass das Leben viel mehr Facetten kennt: Seine Freundin verlässt ihn, eine Krankheit zwingt ihn, seinen Beruf aufzugeben. Und Augustinus verändert sich. Verlässt die Stadt, verzichtet auf sein Vermögen, verwirft sein Weltbild. Augustinus begreift, dass es mehr gibt, als Gut und Böse. Das zeigt sich auch, als er ein Kloster gründet. Denn der erste Satz seiner Klosterregel lautet: „Vor allen Dingen sollt ihr Gott lieben, sodann den Nächsten; denn das sind die Hauptgebote, die uns gegeben sind.“

Von Gut und Böse kein Wort. Es geht vielmehr um eine Haltung, die die Klosterbrüder einnehmen sollen. Liebe heißt diese Haltung. Kein moralisches Urteil, kein sicheres Wissen über das, was zu tun und zu lassen ist findet sich hier. Stattdessen die Frage, was angemessen und gut für den anderen ist. Klar: Ich soll mich selbst dabei nicht vergessen. Aber einfache Lösungen, die bleiben außen vor.

Ich finde: Eine gute Regel auch für heute. Sie fordert mich auf, die einfachen Schemata für Fragen nach Sterbehilfe, Krieg, Migration und Klima hinter mir zu lassen. Sie fordert mich auf, zu fragen, was in all diesen Fragen Liebe bedeutet. Das ist weit weg von Gut oder Böse. Dafür aber nah am Menschen. Und fordert mich heraus. Dass ich den Blickwinkel anderer einnehme. Dass ich mir überlege, was für den anderen und für zukünftige Generationen wichtig ist.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38209
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