SWR2 Lied zum Sonntag

SWR2 Lied zum Sonntag

27AUG2023
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Egal, wann ich im Moment das Radio anmache: Gute Nachrichten sind Mangelware. Wir leben in Krisenzeiten. Und das lässt sich tagein, tagaus erfahren. Von solchen Krisenzeiten erzählt vor über zweitausend Jahren auch das biblische Buch Daniel. Und strahlt doch eine unglaubliche Zuversicht aus. Das Lied Gott hat mir längst einen Engel gesandt bringt diese Zuversicht zum Klingen.

Gott hat mir längst einen Engel gesandt, mich durch das Leben zu führen. Und dieser Engel hält meine Hand, wo ich auch bin, kann ich es spüren.

Gott hat mir einen Engel gesandt: Der Satz stammt von dem biblischen Propheten Daniel. Ein Prophet, der in finsteren Zeiten lebt. Im sechsten Jahrhundert vor Christus werden große Teile der jüdischen Bevölkerung von den Assyrern nach Babylon verschleppt. Eine traumatische Erfahrung für das Judentum. Eine Erfahrung, die sich auch im Danielbuch niedergeschlagen hat.

Daniel ist nämlich einer der Verschleppten. Doch er ist weise. Und kann Träume deuten. Deshalb steigt er schnell auf. Der Ausländer wird zu einem gefragten Ratgeber des Königs. Allerdings ist sein Glaube den Herrschenden ein Dorn im Auge. Weil er an diesem Glauben festhält, wird er in eine Art Löwenzwinger geworfen. Die Todesstrafe. Doch Daniel überlebt. Auf die Frage, wie er das gemacht hat, sagt er: „Mein Gott hat seinen Engel gesandt“ (Dan 6,23).

Mein Engel sagt mir: „Fürchte dich nicht! Du bist bei Gott aufgehoben.“

In dem Liedtext greift der evangelische Pfarrer Eugen Eckert also eine ganz alte Erzählung auf. Und wenn ich das heute singe, dann verbinde ich mich mit dieser alten Geschichte. Atme die Hoffnung, die auch Daniel getragen hat.

Nicht von ungefähr orientiert sich auch die Musik an alten Mustern. Der katholische Kirchenmusiker Thomas Gabriel greift Melodie und Rhythmus aus der klassischen Musik auf.

Attaingnant: Que je chatoulle ta fossette (Danceries)

Was sie da hören ist eine Pavane. Ein Tanz, der an den Höfen der Renaissance äußert beliebt war. Die Ähnlichkeiten zu Gott hat mir einen Engel gesandt sind nicht zu überhören.

Bei der Pavane stelle ich mir einen hell erleuchteten Festsaal und edel gekleidete Menschen vor. Und ich stelle mir vor, wie Daniel langsam und königlich aus dem Löwenzwinger spaziert. Einen Engel an der Hand.

Ich selbst spüre nur selten einen solchen Engel. Trotzdem ist die Geschichte von Daniel brandaktuell. Er verweigert sich dem König, hält an dem fest, was er glaubt. Auch heute gibt es viele, die mir sagen wollen, was zu tun ist. Die wollen, dass ich ihren Glauben teile: an drei Mal im Jahr Fernreise und angesagte Klamotten, an ein scheinbares Recht, Krieg zu führen. Die wollen, dass auch mir der Hunger weltweit egal ist, dass mir egal ist, wenn Migranten im Mittelmeer ertrinken. Der Song provoziert einen Gegenentwurf. Er schlägt vor, sich nicht an die Furcht zu halten. Sondern sich an dem festzuhalten, was in schweren Zeiten wichtig ist: Zuversicht und den Mut, für seine Überzeugung, seinen Glauben einzustehen. 

Mein Engel bringt in Dunkelheit mir Licht. Mein Engel sagt mir: „Fürchte dich nicht! Du bist bei Gott aufgehoben.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38208
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