SWR2 Lied zum Sonntag

SWR2 Lied zum Sonntag

06AUG2023
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Weckt diese Melodie Ihre Reiselust? In die weite Welt lockt dieses Lied. Allerdings sind in diesem Jahr nicht alle, die in seinem Gefolge rechtzeitig zum Ferienbeginn in ein Flugzeug steigen wollten, ungehindert weggekommen. Auf den Rollbahnen der Flughäfen in Hamburg und Düsseldorf hatten sich Mitte Juli Klimaaktivisten festgeklebt. Für ein paar Stunden ist kein einziges Flugzeug gestartet. Unter den verhinderten Urlaubern war der Unmut groß. Und eine Frau hat sich genervt beklagt: „Wieder mal trifft es die Falschen. Uns kleine Leute hier. Und die da oben bleiben unbehelligt!“ Aber so einfach ist es wohl nicht, liebe Touristin des 21. Jahrhunderts. Denn auch dein Flug in die weite Welt treibt ja den CO2 Ausstoß in die Höhe.

Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er in die weite Welt,
dem will er seine Wunder weisen in Berg und Wald und Strom und Feld.  

In eine ganz andere Welt hinein hat der Dichter Joseph von Eichendorff vor 200 Jahren sein romantisches Lied geschrieben. Held seiner Erzählung ist der Sohn eines Müllers, dem die Wanderlust auch aus anderen Volksliedern wohl im Blut liegen müsste. Sein Vater aber hält ihn für einen Taugenichts und wirft ihn hinaus, damit er in der Ferne den Ernst des Lebens kennenlernt. Da macht er sich – wohin auch sonst? - und selbstverständlich zu Fuß nach Italien auf. In den Augen des Vaters mag er ein Taugenichts sein, aber er hat auch die Gabe, jeder Situation das Beste abzugewinnen, und so sieht er auch die fremd verordnete Wanderschaft als eine Gunst an und freut sich drauf.

Die Bächlein von den Bergen springen, die Lerchen schwirren hoch vor Lust,
Was sollt ich nicht mit ihnen singen aus voller Kehl und frischer Brust?

Eine Kritik an den herrschenden Verhältnissen hält aber auch das romantische Lied bereit. Nichts übrig hat es für die Trägen, die sich nicht dafür interessieren, was draußen in der Welt vor sich geht und sich auf die eigenen vier Wände zurückziehen. Und wer will, darf da ruhig auch die Kritik an einer Haltung heraushören, die nur darauf wartet, dass „die da oben“ es richten sollen, aber mich in meinem bequem eingerichteten Leben bitte schön in Ruhe lassen.

Die Trägen, die zuhause liegen, erquicket nicht das Morgenrot.
Sie wissen nur von Kinderwiegen, von Sorgen, Last und Not ums Brot.

Wer sich aber nicht auch einmal hinauswagt aus der eigenen Komfortzone, wird nicht begreifen, was zu tun geboten ist. Denn eins ist klar: Nicht „die da oben“, Politikerinnen und Politiker, an die wir unsere Verantwortung so gerne abgeben, werden die Welt mit all ihren Wundern retten. Aber „der da oben“, Gott der Schöpfer und Erhalter aller Dinge, hat versprochen, sie niemals aus seiner Obhut zu entlassen. Ihm vertraut der Taugenichts sich und seine Sache an, wenn er frohgemut ins Ungewisse zieht. Für mich hat sein Gottvertrauen etwas Ansteckendes. Es wiegt mich nicht in Trägheit, aber es schenkt mir bei allem, was zu tun bleibt, Zuversicht. Für meine eigenen Wege und für die weite Welt.    

Den lieben Gott lass ich nun walten, der Bächlein, Lerchen, Wald und Feld
und Erd und Himmel will erhalten, hat auch mein Sach aufs best‘ bestellt.

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Musikangaben:

Text: Joseph von Eichendorff
Musik: Theodor Fröhlich

Wem Gott will rechte Gunst erweisen
Volkslied. Fassung für Violine und Akkordeon
Die schönsten deutschen Volkslieder- Mitsing-CD
Interpretinnen: Christine Busch, Anne-Maria Hölscher

Geh aus, mein Herz – Deutsche Volkslieder aus vier Jahrhunderten
Interpreten: Evangelische Jugendkantorei der Pfalz

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38178
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