SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

30JUL2023
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Zuhören ist so wichtig. So wichtig, dass ich gerne eine große Aktion für das Hören ausrufen würde! Lasst uns einander bitte mehr zuhören! Mehr hören als sprechen. Immer zuerst hören und lieber einmal mehr hören, bevor ich ein Urteil über etwas fälle, bevor ich ganz genau weiß, was richtig und falsch ist, bevor ich mich ärgere und laut werde und am Ende einen Graben aufreiße zwischen mir und einem, der anders denkt als ich.

Wer viel Radio hört, ist geübt im Hören, schätzt, was andere sich überlegt haben, freut sich an schöner Musik und guten Gedanken. Radiohörer sind so etwas wie ein Vorbild beim Hören. Sie könnten vorangehen bei einer Initiative für mehr Hören und ein Vorbild dabei sein.

Dass Hören nicht nur wichtig ist, wo Menschen gut zusammenleben wollen, sondern dass es die wohl wichtigste Eigenschaft überhaupt ist, weiß ein Mann, der wegen seiner Weisheit sprichwörtlich geworden ist. Salomo, nach Saul und David König des Volkes Israel. Sein Name taucht auf, wo ein salomonisches, also ein kluges Urteil getroffen wird, das zwei Seiten zufrieden und versöhnt zurücklässt. Im Alten Testament der Bibel wird davon berichtet, dass Salomo sehr jung König wird, und sich anfangs ziemlich schwer getan hat mit seiner großen Aufgabe. Ein Volk zu regieren, Urteile zu sprechen, die Menschen so zu führen, dass es friedlich zugeht, dass alle das Nötige haben und keiner aus Unzufriedenheit auf andere losgeht. König Salomo ringt mit dem, was da von ihm als König verlangt wird. Und er sucht Hilfe bei seinem Gott. Die Bibel überliefert dabei die folgende Bitte, die der junge Regent direkt an Gott richtet: Verleih (daher) deinem Knecht ein hörendes Herz, damit er dein Volk zu regieren und das Gute vom Bösen zu unterscheiden versteht![1]

Salomo trifft mit dieser Bitte den Nagel auf den Kopf. Es geht nicht darum, wer mehr Macht hat, so dass andere sich vor ihm fürchten. Es geht nicht um das, was man besitzt oder an Leistung hervorbringt, weil Menschen dabei sehr verschieden sind und die Güter dieser Welt sehr ungleich verteilt. Es geht natürlich auch nicht darum, die aus dem Weg zu räumen, die anders sind oder anders denken. Nein, es geht darum, zuzuhören und den anderen zu verstehen. Für Salomo ist das gleichbedeutend mit Gottes Gebot. Gott will, dass es so zugeht.

Für den König von Israel vor dreitausend Jahren hat das genauso Konsequenzen wie für uns heute.

Salomo, gerade neu zum König von Israel erwählt, wünscht sich ein hörendes Herz. Und Gott erfüllt seine Bitte: Weil du gerade diese Bitte ausgesprochen hast und nicht um langes Leben, Reichtum oder um den Tod deiner Feinde, sondern um Einsicht gebeten hast, um auf das Recht zu hören, werde ich deine Bitte erfüllen. Sieh, ich gebe dir ein (so) weises und verständiges Herz.

Ich gewinne immer mehr den Eindruck, dass nichts so fehlt in unserem menschlichen Miteinander, als dass wir mehr aufeinander hören. An allen Ecken und Ende ist zu sehen, dass der Zusammenhalt in unserer Gesellschaft weniger wird. Stattdessen gehen Menschen wegen Kleinigkeiten aufeinander los. Auch weil sie unzufrieden sind mit der Politik, mit der Kirche, mit den Medien; das ist mit Händen zu greifen. Natürlich werden Fehler gemacht und es gibt schwarze Schafe, bei denen, die Verantwortung tragen, weil sie zuerst an den eigenen Vorteil denken. Aber es gibt auch vieles, was gut läuft. Wir leben trotz allen Problemen in einem Land, in dem es den meisten viel besser geht als andernorts auf unserer Welt. Mir scheint, es führt kein Weg daran vorbei, wieder mehr zu akzeptieren, dass andere eben immer anders sind als man selbst. Was leider am meisten fehlt: Sich zusammenraufen, den Schulterschluss üben, und etwas toleranter sein. Ohne die Bereitschaft, mit anderen einen gemeinsamen Weg zu finden, dabei auch etwas von der eigenen Position aufzugeben und nach einem Kompromiss zu suchen, der möglichst vielen gerecht wird, klappt es nicht in einer Demokratie. Dazu aber muss man immer erst dem anderen zuhören, bevor man sich festlegt und dann an seiner Meinung klebt.

Wenn das nur so einfach wäre mit dem Hören! Manchmal kommt es mir so vor, als gäbe es nichts Schwierigeres. Weil dauernd von irgendwoher ein Laut an mich dringt – Lärm von der Straße, Gespräche im Bus, ein Radio oder ein Fernseher, der gerade läuft – und ich selbst oft stundenlang am Tag mit Sprechen beschäftigt bin. Gerade deshalb vermisse ich oft die Gelegenheit und ausreichend Raum, um zu hören.

Ich weiß, dass das Hören vor dem Sprechen kommt. Ich weiß auch, dass der Glaube (an Gott) vom Hören kommt; dass ich also nur dann etwas über Gott sagen kann, wenn ich vorher auf ihn gehört habe. Mir also die Frage gestellt habe: Was ist jetzt das Richtige? Was willst Du, Gott, dass ich sagen soll? Was erwartest Du von mir? Salomo wusste, dass er nichts mehr braucht als ein hörendes Herz. Auf den anderen zugehen - ihn so wie er ist an mich heranlassen - gemeinsam nach Wegen suchen. So übersetze ich das für heute. Und erneure meinen Aufruf: Hören wir mehr einander zu!

 

[1] 1 Könige 3,9

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38133
weiterlesen...