Ist Gott queer? Anfang Juni hatte das ein Pfarrer behauptet. Vor großer Öffentlichkeit beim Abschlussgottesdienstes zum Evangelischen Kirchentag in Nürnberg. Vor Ort hat er Applaus bekommen. Hinterher aber auch eine Welle der Empörung ausgelöst. Gott ist queer. Offen gestanden hat mir diese Vorstellung zunächst gut gefallen. Ich stelle mir Gott absolut bunt vor, meinetwegen auch divers, in jedem Fall so vielfältig, dass meine Vorstellungskraft dafür nicht ausreicht. Ich habe auch verstanden, dass der Prediger damit provozieren wollte; weil es oft immer noch üblich ist, von Gott als einem Mann zu sprechen, sich Gott jedenfalls in männlichen Kategorien vorzustellen. Und weil es ihm nicht genügt hat, dass inzwischen immer wieder auch von Gott als Frau die Rede ist, ein Gedanke, der ja schon im Alten Testament der Bibel vereinzelt vorkommt.

Ist Gott heutzutage dann queer? Nein, ist er nicht. Er ist genauso wenig queer, wie er Mann oder Frau ist, farbig oder weiß, evangelisch oder katholisch, Christ oder Muslim, arm oder reich. Gott ist Gott. Und viel mehr kann kaum jemand über ihn sagen. Gott ist unbegreiflich. Er entzieht sich unseren Kategorien. Am besten sagen wir nicht viel Konkretes über ihn, zumindest wenig auf die Art und Weise, wie wir es gewöhnt sind, unsere Welt nach unseren menschlichen Vorstellungen einzuteilen. Das geht immer schief. Das greift immer zu kurz. Das steht in der Gefahr, Gott kleiner, ja harmloser zu machen, als Gott ist.

Aber gleichzeitig müssen wir ja sprechen und können es eben nur in den Begriffen tun, die wir kennen und die uns zur Verfügung stehen; auch wenn wir uns über Gott und sein Wesen verständigen wollen. Gott ist also nicht queer, aber was der Prediger damit sagen wollte, das verstehe ich trotzdem ganz gut. Gott ist überall dort zu finden, wo Menschen sind und am besten begreifen wir ihn dort, wo wir lieben.  Die Bibel sagt, dass der Mensch Gottes Ebenbild ist, ihm ähnlich. Wie sollte er dann nicht auch dort sein, wo einer von uns sich danach sehnt, endlich so zu sein, wie Gott ihn gemacht hat? Denn so verstehe ich das Wort - queer: dass ein Mensch sein darf, wie er in seinem Innersten ist.