Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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12JUL2023
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Es gibt Sätze, die sind so unappetitlich, dass ich sie nicht hören will. Da ist von der „Entsorgung von Personen“[1] die Rede, und davon, dass „Homosexuelle ins Gefängnis“[2] gehören oder dass es nicht bestraft gehört, wenn „bewohnte Asylbewohnerheime angezündet“[3] werden. Mir stockt der Atem, wenn ich das höre. Nun sind diese Sätze aber alle gesagt worden. Von Politikern in unserem Land, die von einem Teil der Deutschen gewählt werden. Deshalb darf ich vor diesen Sätzen auch nicht meine Ohren verschließen. Ich darf es nicht und finde, niemand sollte das tun, weil Erich Kästner Recht hat mit dem, was er einmal gesagt hat: „Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist. Man muss den rollenden Schneeball zertreten. Die Lawine hält keiner mehr auf. Sie ruht erst, wenn sie alles unter sich begraben hat. Das ist (…) das Fazit dessen, was uns 1933 widerfuhr.“

Erich Kästner hat das 1958 gesagt, anlässlich einer Rede zum 25. Jahrestag der Bücherverbrennungen durch die Nationalsozialisten in unserem Land. Damals gab es auch eine größer werdende Gruppe von Politikern in Deutschland, die radikale Positionen vertreten und zum Teil ganz offen dem Nazi-Regime nachgetrauert hat. So wie Kästner will auch ich, dass es nie mehr so weit kommt. Weil das, was von Politikern dieser Couleur vertreten wird, ganz und gar meiner christlichen Überzeugung widerspricht.

Wenn Menschen wegen ihrer Herkunft oder sexuellen Orientierung degradiert werden. Wenn überhaupt von Menschen die Rede ist, als wären sie Abfall und ihre Würde in den Schmutz gezogen wird. Das ist für mich ein Alarmsignal, das mich erschreckt, wo ich deutlich merke, dass eine Grenze überschritten wird, die nicht fallen darf. Für die ich kämpfen muss, weil das sonst nicht mehr „mein“ Heimatland ist, in dem ich gerne zuhause bin und bleiben will.

Die ersten Schneebälle sind leider schon geworfen. Juden werden angefeindet, Geflüchtete zu Menschen zweiter Klasse erklärt. Natürlich nicht überall, nicht flächendeckend, aber eben doch an Orten, die ich kenne. Wenn ich dabei bin, wenn jemand so etwas sagt, wo ich mitsprechen darf, dort zertrete ich den Schneeball des Gemeinen und Menschenverachtenden zwar nicht, aber ich fange ihn auf und werfe ihn zurück.

 

[1]https://correctiv.org/faktencheck/politik/2020/02/05/die-meisten-dieser-zitate-stammen-von-afd-politikern-einige-sind-aber-unbelegt/

 

[2]https://www.sueddeutsche.de/politik/sachsen-anhalt-afd-politiker-homosexuelle-ins-gefaengnis-stecken-1.3019169?fbclid=IwAR0ugCDHyQAROiUlRsaukIBuX3Zwr87eIZz7ZNAbelair4rZH1owFEbeLnE

 

[3]https://taz.de/Chatprotokolle-der-AfD/!5441138/

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37971
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