Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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30JUN2023
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Jedes Jahr werden die Deutschen nach ihrem Spendenverhalten gefragt. Die Ergebnisse überraschen zum Teil. So sind während der Pandemie die Spenden für gemeinnützige Zwecke noch einmal deutlich gewachsen. Isolation und Abstand haben den Menschen nicht den Blick für das Gemeinwohl verstellt. Dass die Spendenbereitschaft mit der Bildung und dem Alter steigt, scheint einleuchtend: Höhere Bildung bedeutet höheres Einkommen, und älter sein heißt: Die Karriere ist fortgeschritten, die Anschaffungen sind erledigt, die Kinder aus dem Haus – da bleibt etwas übrig zum Spenden.

Doch so einfach ist es nicht: Höhere Einkommen bedeuten gerade nicht zwangsläufig, dass entsprechend mehr gespendet wird. Denn das zeigen die Untersuchungen auch: Spenderinnen und Spender aus dem untersten Zehntel der Bevölkerung mit dem geringsten Einkommen spenden prozentual doppelt so viel von ihren Mitteln wie das Zehntel mit dem höchsten Einkommen.

Das hat mich überrascht. Ich hätte gedacht, dass bei den Ärmeren nichts zum Spenden übrigbleibt, dass alles in den notwendigen Lebensunterhalt fließen muss. Und doch haben diese Menschen etwas für andere oder für gesellschaftliche Aufgaben übrig, prozentual sogar mehr als mancher Wohlhabende. Diese Haltung imponiert schon Jesus: Er beobachtet, wie die Reichen ihre Gabe in den Opferkasten des Tempels werfen. Dann kommt eine arme Witwe, die nur zwei kleine Münzen einwirft. Und Jesus stellt fest: Diese arme Witwe hat mehr gegeben als alle anderen. Die Wohlhabenden haben von ihrem Überfluss gespendet; diese Frau aber hat ihren ganzen Lebensunterhalt gegeben. Jesus erkennt, dass die arme Frau trotz ihrer misslichen Lage mehr auf Gott vertraut als auf ihre geringen Mittel.
Ich sehe da eine Parallele zur Freigiebigkeit mancher ärmerer Menschen. Sie halten ihre geringen Mittel nicht ängstlich zurück. Sie sehen vielmehr soziale, kulturelle oder gesellschaftliche Aufgaben, für die sie spenden. Wie die arme Witwe aus der Bibel glauben sie an etwas Größeres – an Gott, an das Gemeinwohl oder einen anderen übergeordneten Wert. Der ist ihnen wichtig. Und damit geben sie mir ein Beispiel.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=37912
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