SWR4 Sonntagsgedanken

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22MAI2022
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Fast jeder von uns kennt das eine oder andere Sprichwort. Zum Beispiel: Suchet, so werdet ihr finden. Wie oft habe ich das schon hören müssen, wenn ich etwas nicht sofort zur Hand hatte oder habe es selbst gedacht und weitergesucht. Nicht aufgeben. Es muss ja da sein.

Dass dieser Spruch aus der Bibel stammt, ist schon nicht mehr so bekannt. Auch nicht seine ursprüngliche Bedeutung oder der Zusammenhang. Schade eigentlich, denn gerade dieser Spruch hat eine viel tiefere Bedeutung, als beim Suchen nicht aufzugeben. Das wird sofort deutlich, wenn man die Stelle in der Bibel im Lukasevangelium nachliest. Hier heißt es: Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan. 

Jesus hat das gesagt. Und zwar direkt im Anschluss an das Vaterunser-Gebet. Es ist eine Art Gebrauchsanweisung fürs Beten. Jesus meint damit:

Du bist Gott nicht lästig. Ganz im Gegenteil. Er hat immer ein offenes Ohr für Dich. Und er kann helfen. Manchmal sofort und ganz direkt und wie Du ihn bittest. Lass also nicht locker.

Jesus weiß, dass über das tägliche und andauernde Beten und Bitten die Beziehung zu Gott wächst. Deshalb fordert er seine Zuhörer auf: Wendet euch an Gott mit euren Anliegen. Denkt nicht immer nur an eure endlichen und begrenzten Möglichkeiten. Denkt größer. Euer Anliegen erscheint dann vielleicht in einem anderen Licht, Herausforderungen erfahren eine Wendung, auch im eigenen Denken. Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan. 

Seid voller Vertrauen und erwartet etwas von Gott. Vertraut Gott wie ein Kind seinem Vater. Wenn das Kind um Fisch bittet, dann bekommt es vom Vater sicher keine giftige Schlange. Und wenn es um ein Ei bittet, sicher auch keinen Skorpion. Jesus macht diese Vergleiche um uns zu sagen: Gott ist wie ein guter Vater: Er wird seinen Kindern das geben, was sie brauchen und um was sie bitten!

Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan. 

Laut Umfragen beten in Deutschland weit über die Hälfte aller Menschen mehr oder weniger regelmäßig. Gebet ist etwas sehr Natürliches und Menschliches. Vor allem, wenn man Gott als den himmlischen Vater begreift. Also als einen, der seinen Menschen zugetan ist, sich um sie kümmert, sich ihnen immer wieder neu in seiner Güte zeigt. Gott ist da und lässt sich bitten und finden.

Gebt nicht auf, meint Jesus. Gott will nicht nein sagen, ja Gott kann nicht nein sagen, wenn seine Menschen ihn ernsthaft bitten.

Jesus erklärt das in einem weiteren Vergleich Man lässt seinen Freund nicht draußen vor der Tür stehen, wenn er in einer Notlage ist und der Freund dem bittenden Freund doch helfen kann. Auch nicht mitten in der Nacht und auch nicht, wenn es unangenehm und unbequem wird. Gott ist wie ein Freund und wie ein Vater. Vertraut euch und eure Anliegen ihm an. Klopft und hämmert an seine Tür. Gott lässt sich das gefallen und hilft.

Im Moment gibt es mehr als genug, wofür wir Gott bitten und seine Hilfe suchen sollten. Ich denke an den furchtbaren Überfall und die große Not durch den Krieg in der Ukraine, auch an viele andere Krisengebiete in unserer Welt. Ich denke auch an Nöte und Krisen in unserem persönlichen Umfeld. Für andere Beten gehört für mich zum helfenden Handeln dazu. Gott hat doch viel mehr Möglichkeiten einzugreifen, als die, die mir vor Augen stehen.

Ich weiß, dass das für viele nicht leicht ist. Ihr Gebet kommt vielen so sinnlos vor - wenn Gott nicht antwortet - oder nicht zu antworten scheint.

Henning Kiene, ein Pastor in Bremen, hat dazu einmal gesagt: „Jedes Gebet erzeugt eine Resonanz in Gott. Durch ihn wird der ganze Kosmos in Schwingungen versetzt. Wir sind von den Wirkungen ungezählter Gebete umgeben. … Gott hört jedes Gebet, aber wann und wie es erhört wird, entzieht sich jeder Erklärung.“

Mir hilft der Gedanke: Gott hat ja zu uns Menschen gesagt und damit auch ja zu mir gesagt. Für diese gute Nachricht ist Jesus eingestanden.

Beim Beten passiert etwas. Etwas das weit größer ist als mein normaler Horizont. Da lebt der Glaube und auch meine Beziehung zu Gott auf. Es ist, als ob man durch eine Tür in eine viel größere Wirklichkeit eintritt und dann Gott als den Freund erlebt, der mich nicht abweist, als den himmlischen Vater, der seinem Kind zeigt, dass er da ist und gibt, was es braucht. Was ich brauche.

Gott, unser Vater, er begleite Sie an diesem Sonntag.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35468
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