Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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21APR2022
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„Vater unser im Himmel“ – so beginnt das bekannteste Gebet der Christen. Und damit beginnen auch die Probleme: Gott als Mann, als Vater. So Manchem ist dieses Gottesbild schlicht zu einseitig. Wie oft vergleicht die Bibel Gott mit einer liebevollen Mutter! Die göttliche Weisheit wird verglichen mit einer Braut, und Gottes schöpferischer Geist ist eindeutig weiblich. Gott lässt sich nicht auf eine einzelne Männer- oder Frauenrolle reduzieren. Er bedient sich souverän vieler Rollen.

Wie Gott sich gewissermaßen selbst sieht, macht mir eine Stelle im Alten Testament deutlich: Moses soll zum Pharao gehen und die Freilassung der versklavten Israeliten fordern. Der unsichere Moses will wissen, in wessen Auftrag er auftreten kann, in welchem Namen. Und Gott gibt seinen Namen bekannt: Jahwe. Dieser geheimnisvolle Gottesname ist nicht leicht zu verstehen. Er wird übersetzt mit „Ich bin der ich bin“ oder „Ich bin für euch da“, und es gibt noch mehr Varianten. Am besten gefällt mir die Übersetzung: „Ich bin doch da.“

„Ich bin doch da“ – das kann eine Mutter oder ein Vater am Bett eines ängstlichen Kindes sagen, das aus einem Alptraum aufschreckt. Oder ein Ehemann oder eine Ehefrau, eine Freundin oder ein Freund sagt das, wenn der geliebte Mensch nicht mehr ein oder aus weiß: „Ich bin doch da“. Das kann auch der große Bruder sagen, der den kleineren ermutigt und vor Rüpeln auf dem Pausenhof in Schutz nimmt. Viele Beispiele lassen sich finden, wo diese Worte – ich bin doch da – ermutigen und schützen, Liebe und Vertrauen ausdrücken, Stärke und Zuwendung vermitteln. So versteht sich Gott selbst: Ich bin der „Ich bin doch da“, sei getrost, habe keine Angst.

Jesus wusste das alles. Er kannte das Mutter- und Vaterbild der Bibel. Zugleich hat er wie kein anderer Gott als seinen Vater und als Vater aller Menschen angesprochen. Deshalb kann auch ich beten „Vater unser“. Und genauso können andere Gott als Mutter ansprechen. Hauptsache ist, dass in beiden Fällen mitklingt, was zu der Erfahrung mit Gott dazu gehört: Das Mütterliche und Väterliche, das Freundschaftliche und Brüderliche – kurz alles was dazu gehört, wenn Gott spricht: Ich bin doch da.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35262
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