SWR1 Anstöße sonn- und feiertags

SWR1 Anstöße sonn- und feiertags

10APR2022
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Heute ist Palmsonntag, die Karwoche beginnt. Wir Christen begleiten Jesus auf der letzten Etappe seines Lebens und gehen in Gedanken mit ihm mit bis hin zu seinem Tod am Kreuz. Kirchengemeinden laden zu Passionsandachten ein - aber dieses Jahr, an der Kirchentür, kann ich die Eindrücke vom Krieg in der Ukraine nicht abschütteln. Im Gegenteil. In meinem Kopf mischen sich die Bilder - wie in Russland Demonstranten verhaftet werde, nur, weil sie die Wahrheit über den Krieg sagen wollen. Sie vermischen sich mit dem Bild von Jesus, der ebenfalls nicht anderes getan hat, als die Wahrheit zu sagen, den Machthabern seiner Zeit den Spiegel vorzuhalten - und der dafür zum Tode verurteilt wurde. Ich möchte den Vergleich nicht überstrapazieren, aber einige Parallelen sehe ich doch.

Der biblischen Erzählung von Palmsonntag kann man das ganz gut abspüren, finde ich: Jesus kommt auf einem Esel nach Jerusalem geritten, und er wird von den Bewohnern begeistert empfangen. Palmzweige legen sie auf seinen Weg, wie einen roten Teppich - wie für einen König Derweil, im Hintergrund, wird Jesus schon beobachtet: und zwar von den Mächtigen seiner Zeit - von den religiösen Führern und den politischen Herrschern. Von denen haben manche Dreck am Stecken, und die wollen natürlich verhindern, dass Jesus sie öffentlich anprangert. Jesus hat also Feinde, und die planen, ihn zu beseitigen.

Aber auch in der Menschenmenge, die ihm zujubelt, sind nicht alle auf seiner Seite. Da sind Leute dabei, die würden Jesus gerne für ihre eigenen Interessen instrumentalisieren, ihn zu ihrer Galionsfigur machen.

In meinem Kopf mischen sich die Bilder von damals und heute. Mich erschüttert, dass es immer wieder um Macht geht, um Herrschaftsphantasien, Geld und Einfluss. Dass Menschen deswegen zu Gewalt greifen und Unschuldige um ihr Leben betrügen. Ich fühle mich diesen Kräften hilflos ausgeliefert. Nichts scheint sie stoppen zu können. Am Ende sind sie einfach stärker.

Diese Hilflosigkeit kann ich nicht ablegen, wenn ich an die Kirchentür und zur Passionsandacht komme. Also nehme ich sie mit, und begleite Jesus in Gedanken auf seinem Weg nach Jerusalem, mitten hinein in den Kampf um Macht und Einfluss. Jesus weiß nämlich ganz genau, was ihn erwartet und liefert sich bewusst der Gewalt seiner Gegner aus. Er ist nicht hilflos, sondern er entlarvt die bösen Kräfte dieser Welt. Und am Ende ist er es, der der Stärkere ist.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=35197
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