SWR3 Gedanken

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15APR2022
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In der Ukraine ist im Moment so vieles verlassen: Häuser, Spielplätze, Haustiere, Dörfer, Soldaten. Und die Ukraine fühlt sich allein gelassen, im Stich gelassen. Und ich glaube vielleicht auch von Gott verlassen.

Wenn man vor einem Scherbenhaufen steht, fragt man sich wo Gott war, als all die kleinen oder großen Katastrophen passiert sind, die zum Scherbenhaufen geführt haben. Kriege produzieren die größten Scherbenhaufen. Aber es gibt auch die kleineren, die sich für viele sogar schlimmer anfühlen, weil sie näher sind: das eigene Kind, das einem den Rücken kehrt, der Arzt, der eine schlimme Nachricht hat, eine Fehlgeburt, ein Abschiedsbrief.

Als Jesus am Kreuz hing, da soll er geschrien haben: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Das kann ich gut nachvollziehen, und es passt auch zu den Katastrophen, die ich vor Augen habe, und die mich wütend,  ohnmächtig oder traurig machen.

„Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ – diese Worte haben bei Jesus noch eine andere Dimension. Er zitiert den Psalm 22, den er als gläubiger Jude gut gekannt hat. Vielleicht hätte er ihn auch noch weiter gebetet, wenn er gekonnt hätte. Der Psalm nimmt nämlich eine hoffnungsvolle Wendung. Da heißt es: „Du Gott hast mir geantwortet. Du hast mich nicht verachtet, dich nicht verborgen. Du hast mich gehört als ich zu Dir geschrien habe.“

Scheinbar von Gott verlassen, und doch hört er und sieht er und weint er mit. Vielleicht weil er erstmal nur das kann.

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