SWR3 Gedanken

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10APR2022
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Lebensläufe stecken manchmal voller Wendungen. Aktuelles prominentes Beispiel ist Wolodymir Selenski – vom Kabarettist zum Präsidenten eines Staates, der sich bitter wehren muss. Oder Vitali Klitschko – vom Boxchampion zum Bürgermeister einer zerstörten Stadt. Oder auch weniger bekannte Leute. Ich kenne einen, der in Syrien Polizist war, dann auf der Flucht im Schlauchboot fast ertrunken wäre, und jetzt lebt er hier in Baden-Baden und ist Gärtner.

Heute ist so ein bisschen der Feiertag für alle, die kein geradliniges Leben haben, sondern eher eines mit überraschenden Wendungen. An Palmsonntag wurde Jesus nämlich mit viel Hurra in Jerusalem empfangen. Die Leute wedeln ihm mit Palmblätter zu und breiten ihre Kleider wie einen roten Teppich vor ihm aus. Bis hierher ist er der Star, aber ein paar Tage später rufen die gleichen Leute: „Ans Kreuz mit ihm!“.

Wenn ich mir solche Lebensläufe als Straße vorstelle, dann ist das ein bisschen wie bei Serpentinen. Die können Spaß machen – auf dem Motorrad zum Beispiel. Hinten im Auto können sie aber auch zur Tortur werden. Wenn mein Leben eine scharfe Kurve nimmt, macht mich das unsicher: Was kommt da auf mich zu? Es könnte interessant werden, aber auch bedrohlich.

Wäre das nicht ein toller Gott, der bei all diesen Wendungen dabei ist? Egal ob am Kreuz oder auf dem roten Teppich, ob in einem Schlauchboot vor Syrien oder in einem Garten in Baden. Egal ob im Boxring oder in einer zerbombten Stadt, ob in einem Kabarett oder im Präsidentenbunker. So ein Gott bräuchte gar nicht eingreifen. Einfach dabei sein – das wäre mir schon genug.

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