Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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23MRZ2022
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Wir haben bei uns endlich mal wieder angestrichen. Um viele Lichtschalter herum haben sich schon graue Ränder gebildet. Fingerspuren überall. Löcher hatten wir nur notdürftig geflickt und dann einfach drüber gestrichen. Jetzt aber haben wir es geschafft: Wände und Decken sind gestrichen. Die Zimmer erstrahlen in neuem Glanz.

Nachher ist mir aufgefallen: Die Vorbereitung hat viel länger gedauert als das Anstreichen. Das war ruckzuck erledigt. Aber vorher: Regale von der Wand rücken, Sachen in Kisten verpacken, Staub wegmachen, alles abkleben, alte Pinsel reinigen und Farbe kaufen. Das eigentliche Anstreichen war dann ein Klacks.

Ein Bild für viele Situationen im Leben: Vorbereitung oder Planung brauchen lange und dann ist der eigentliche Moment, auf den es ankommt, ganz schnell vorbei. Das war bei meiner Hochzeit so. Und ist auch bei jeder Schwangerschaft der Fall. Oder bei Bewerbungen. Ewiges Sich-Vorbereiten und dann sitzt man der Bewerbungskommission gegenüber – und schon ist die Zeit rum.

Ich denke mir: Vielleicht ist es ja falsch, sich nur auf das Ziel, auf das Ergebnis zu konzentrieren. Die ganze Zeit davor, die ganze Vorbereitung, das Planen und Organisieren, das ist auch wichtig. Es gibt mir eine Richtung, stimmt mich ein. Klar, nicht immer erreiche ich mein Ziel. Ich krieg den Job nicht, falle durch die Prüfung. Aber auch da ist es doch wichtig, dass ich ernst nehme, was ich alles an Zeit und Energie reingesteckt habe. Und dass es vielleicht einen neuen Anlauf braucht.

Beim Wandstreichen lerne ich mal wieder, jeden Augenblick im Leben zu würdigen. Die Anstrengung, bis etwas gelingt, das Hochgefühl, etwas geschafft zu haben. Aber auch die vielen kleinen Augenblicke, die nötig sind, um ein angepeiltes Ziel überhaupt erreichen zu können.

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