In diesen Zeiten ist es nicht leicht, katholisch zu sein und zu bleiben. Zu groß ist der Skandal des Missbrauchs und das Leiden der Opfer. Und ich als Priester stehe ohnehin dumm da, sofort im Verdacht, auch zu dieser üblen Kaste zu gehören. Zu viel Abscheuliches kommt ans Licht. Aber genau das ist auch der Punkt, dass ich mich trotzdem in diese Sendung traue. Gott sei Dank nämlich gibt es dieses Licht, dieses Licht, das die Wahrheit zur Geltung bringt und den Opfern Recht verschafft. Endlich Aufklärung und Bestrafung der Finsterlinge und auch der Vertuscher, endlich wenigstens etwas Wiedergutmachung. Jeder Sonnenaufgang beinhaltet dieses Versprechen: Wahrheit und Recht sind stärker, Lügen haben kurze Beine, Wiedergutmachung tut not. Es geht um dieses Licht, das Licht der aufklärenden Vernunft, die Sonne der Gerechtigkeit. Es geht um Gott und das wahre Leben, nur dem sollte die Kirche dienen.

Natürlich ist die Gemeinschaft der Glaubenden wichtig, ohne die Kirche hätten wir die Bibel nicht. Und in ihrem eigenen Glaubensbekenntnis heißt es seit 2000 Jahren:  wir mögen bitte nie an die Kirche glauben, sondern an Gott – mittels, dank und trotz der Kirche. Denn die ist ein Acker voll Unkraut und Weizen, voll Gold und Mist. Nein, es geht um Gott und das heißt, um gelingendes Leben für alle. „Gott ist Licht, und Finsternis ist nicht in ihm“ (1 Joh 1,5) – so lautet die Quintessenz der Bibel. Diesem Morgenlicht gilt es zu folgen.

„Der Gott, den es nicht gibt, / in mir ein dunkler Riß, // ist meiner Seele nah, / so oft ich ihn vermiß“. Dieser Zweizeiler trifft ins Schwarze, er stammt vom Dichter und Pfarrer Christian Lehnert. Mitten im Kirchen-Desaster blitzt ein Sehnsuchtswissen auf, mitten im schmerzhaften Abschied vom Kirchengott taucht eine Nähe auf, die gut tut, mitten im Vermissen diese tastende Hoffnung. Ja, konzentrieren wir uns auf die Sache mit Gott. Konkreter: entdecken wir Licht und Liebe, das Wunder ihres Sonnenaufgangs, “in mir ein dunkler Riß“ wie ein Lichtblitz, wahres Leben mitten im falschen.