SWR1 Anstöße sonn- und feiertags

SWR1 Anstöße sonn- und feiertags

16JAN2022
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Toeloop und Todesspirale. Zweifacher Axel und dreifacher Rittberger: Mit großer Begeisterung habe ich auch in diesem Jahr wieder die Europameisterschaft im Eiskunstlaufen verfolgt. Das Zusammenspiel von Musik und Bewegung, akrobatische Sprünge, atemberaubende Hebefiguren - das hat mich schon immer fasziniert. Und ich mag Sportarten, bei denen es Noten für Schwierigkeitsgrad und Ausdrucksstärke gibt, nicht immer nur für „Höher, schneller, weiter“. Ganz bestimmt werde ich auch heute Nacht wieder lange aufbleiben, um die letzten Bilder aus Tallinn zu sehen.

Erst vor kurzem habe ich erfahren, dass es sogar eine eigene Eislauf-Heilige gibt, nämlich die heilige Lidwina von Schiedam. 1395 soll sie im jugendlichen Alter von 15 Jahren auf dem Eis gestürzt sein und sich dabei eine Rippe gebrochen haben. In einem Buch aus dem 15. Jahrhundert ist zu sehen, wie sie versucht, mitsamt Schlittschuhen an den Füßen wieder auf die Beine zu kommen.  Zwei Freundinnen sind ihr bereits zu Hilfe geeilt und im Hintergrund sieht man weitere Eisläufer in typischen Posen übers Eis gleiten. Der kleine Holzschnitt gilt als erste bildhafte Darstellung des Eislaufens in der Kunst.

Von ihrem Sturz hat sich Lidwina wieder erholt, aber dafür später an schubweise auftretenden Lähmungen, Sensibilitäts- und Sehstörungen gelitten. Wahrscheinlich war sie an einer Multiplen Sklerose erkrankt, die sie mit großer Geduld ertragen haben soll. Eine echte Heilige eben. Denn auch anderen Kranken ist sie eine gute Ratgeberin und große Hilfe gewesen, so dass sie nach ihrem Tod zur Patronin der Kranken und Leidenden aufgestiegen ist. In ihrer Heimat, den Niederlanden, ist sie sogar eine Art Nationalheilige. Kein Wunder bei den vielen Wasserkanälen, die im Winter zufrieren und das Eislaufen zum Volkssport gemacht haben.

Was mich an Lidwina beeindruckt: Dass sie ihre eigenen Erfahrungen, auch die schmerzlichen, nicht für sich behalten, sondern für andere fruchtbar gemacht hat. Würde sie heute leben, hätte sie wahrscheinlich eine Selbsthilfegruppe gegründet. Oder eine Stiftung für Menschen nach einem Sportunfall. Und vielleicht wäre auch ihr Gottvertrauen ansteckend gewesen, ihre selbstbewusste und fröhliche Art, trotz vielerlei Einschränkungen das Leben zu bejahen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34685
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