SWR3 Gedanken

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18JAN2022
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Der Jahresbeginn ist für mich Messerschleifzeit. Im Januar sammle ich alle Messer in meiner Küche mal zusammen und kümmere mich darum, dass die wieder schön scharf werden. Mit einem scharfen Messer macht kochen nämlich doppelt so viel Spaß.

Immer, wenn ich meine Messer schärfe, denke ich an einen Vergleich, den ich mal gelesen hab. Da heißt es, dass man nicht nur seine Messer, sondern auch sein Herz ab und zu schärfen sollte.

Martin Schleske hat das so gesagt. Er ist Geigenbauer und braucht in seinem Job immer gut geschliffenes Werkzeug. Er sagt: „Mit einem stumpfen Herzen verlieren wir das Gefühl für das, was mit uns […] geschieht. [Wir] verlieren das Gefühl dafür, ob das, was wir tun, eigentlich stimmig ist.“

Ich finde er hat Recht. Mit meinem Herzen liebe ich, fühle Mitleid, freue mich oder ich empfinde den ganz großen Herzschmerz. Und dabei kann ich abstumpfen, das ist ganz normal. Schlimme Bilder aus den Nachrichten lassen mich kalt, oder meine Zuneigung zu einem Menschen wird unter dem Alltag begraben. Alles Zeichen dafür, dass mein Herz mal wieder Pflege braucht.

Der Geigenbauer Martin Schleske meint dazu: „Es ist nicht schlimm, dass wir stumpf werden. Aber fatal ist es, wenn wir uns nicht wieder schärfen lassen.“

Für so eine „Herzpflege“ reichen auch fünf Minuten am Morgen. In denen versuche ich einfach nur hinzuhören auf mein Herz. Ich nehme einfach wahr, was ich fühle. Ich glaube das reicht schon, damit mein Herz für den Tag wieder besser geschärft – und damit klarer – ist.

 

Quelle: Martin Schleske: Herztöne – Lauschen auf den Klang des Lebens. Verlagsgruppe Random House München 2016. S. 15ff.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34680
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