Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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28DEZ2021
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„Willst du nicht vielleicht bei mir arbeiten?“ Ich schaue den Bäcker auf dem Markt irritiert an. Die Frage trifft mich völlig unvermittelt. Es stellt sich raus: er sucht für den Marktstand eine zweite Person als Aushilfe. Einmal im Monat würde ich dann mit ihm zusammen die Backwaren verkaufen.

Ich frage Freundinnen und Freunde um Rat. Ein Freund meint verblüfft: „Du hast ihm ernsthaft gesagt, du überlegst es dir?“

Vom Kopf her finde ich es völlig abwegig: ich habe eigentlich keine Zeit, verdiene dabei kein Vermögen, und muss gefühlt mitten in der Nacht aufstehen. Aber mein Bauchgefühl ist überraschend gut. Ich finde den Bäcker ganz lustig und es ist mal was ganz anderes. Das habe ich noch nie gemacht. Und so entscheide ich mich schließlich dafür, es zumindest mal auszuprobieren.

Vor meinem ersten Einsatz bin ich total aufgeregt. Tagelang habe die Preise auswendig gelernt. Aber als ich dann vor der Fülle an Broten stehe, wird mir mulmig. Die Brote sehen sich so ähnlich. Und wenn mich ein Kunde nach der Zusammensetzung fragt? Und von Brotkrumen oder gar Ausbünden habe ich auch noch keine Ahnung.

Dann ist meine erste Kundin da. Ich bin noch etwas zurückhaltend und sehr konzentriert, aber es klappt. Nach und nach kommen immer mehr Kundinnen und Kunden. Und ja, manche fragen nach, aber mein Chef unterstützt mich immer just im richtigen Moment. Nach sechs Stunden schwirren in meinem Kopf die Zahlen durcheinander und dann ist meine Arbeitszeit auch schon vorbei.

Ich bin völlig verblüfft, wie gut das gelaufen ist.

Und ich bin verwundert – der Bäcker hat mir die Aufgabe, obwohl er mich nur als Kundin kannte, zugetraut. Ich selbst zweifelte daran – schließlich bin ich fachfremd und Kopfrechnen ist nicht gerade meine große Stärke.

Aber die Herausforderung reizte mich: Was Neues wagen!

In Situationen, in denen ich nicht weiterwusste, hat mir mein Chef weitergeholfen. Zudem hatte ich viele angenehme Begegnungen mit Kundschaft, die eben nicht ärgerlich wurde, wenn ich etwas länger brauchte. Und zwei Freundinnen und ein Freund kamen extra vorbei, weil sie wussten, wie aufgeregt ich war.

Letztlich bin ich sehr froh, dass ich es gemacht habe. Es war richtig, auf mein Bauchgefühl zu hören.

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