SWR2 Wort zum Tag

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24DEZ2021
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„Geschenk ist geschenkt“ - das wird auch heute Abend am Gabentisch so sein, hoffentlich jedenfalls. Mag der heutige Tag im ersten Teil auch noch ein bisschen hektisch werden, ab Mittag schon wird es draußen ruhiger, und spätestens zum Heiligen Abend ist der Schalter umgelegt: eine andere Stimmung ist da. Zwar ist der alte Brauch, sich zu beschenken, nicht mehr für alle so überzeugend. Sie spüren zu viel Erwartungsdruck und Verpflichtung dabei, ihnen ist dieses Ritual verdächtig und lästig geworden. Nur von der Kindheit sind noch schöne Erinnerungen da. Aber für die meisten ist heute Bescherung. Dieser Jesus, dessen Geburtstag gefeiert wird, ist wirklich ein Gottesgeschenk. Die Welt sähe anders aus ohne ihn und seine Botschaft. Also beschenken wir, selbst von Gott beschenkt, uns auch gegenseitig.

Eigentlich muss man jedes Geschenk zweimal machen, heißt es in der jüdischen Frömmigkeit. Beim ersten Mal ist immer noch viel Egoismus und Berechnung dabei. Was schenke ich, wie viel kriege ich, werden meine Wünsche erfüllt oder enttäuscht? Erst beim zweiten Mal sei das Geschenk wirklich absichtslos und gratis. In der Tat: Wirklich schenken, ist so leicht nicht. Eigentlich muss es immer auch ein bisschen wehtun. Denn es steckt etwas von mir selbst drin. Jede Gabe hat mit Hingabe zu tun, sie nimmt Maß am anderen und liest ihm Wünsche von den Lippen ab. Aber vielleicht noch größer ist die Kunst, sich wirklich beschenken zu lassen. Denn das setzt offene Hände und Herzen voraus. Wer nur eigene Wünsche erfüllt sehen will und das vielleicht gar einfordert, hat keine Ahnung vom Schenken. Das gäbe eine schöne Bescherung. Nein, ich lasse mich wirklich überraschen von dir, ich lasse mich lieben. Umso schöner ist es, umso mehr Freude kommt auf, und nicht zu vergessen: auch die Dankbarkeit wird ehrlich und nimmt zu. Es ist wirklich gratis, ich muss nichts zurückzahlen. Ich bin geliebt wie ich bin.

Bei Meister Eckhart lese ich: „Ich will Gott nicht darum bitten, dass er mir gebe; ich will ihn auch nicht dafür loben, dass er mir gegeben hat. Ich will ihn vielmehr darum bitten, dass er mich würdig mache zu empfangen.“ (Predigt 26) Dass wir in diesem Sinn wirklich empfänglich werden und uns beschenken lassen, das wünsche ich Ihnen und mir. In diesem Sinn gesegnete Weihnachten und einen wunderbaren Heiligen Abend.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34512
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