SWR2 Wort zum Tag

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23DEZ2021
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Warum eigentlich feiern die Christen ihren Glauben mit besonderer Vorliebe in der Nacht, in der Weihnacht, in der Osternacht? Warum dieses bewusste Hineingehen ins Dunkel, sogar in die Finsternis?  Das war ja früher noch viel massiver und mutiger als heute, wo es so viel künstliche Beleuchtung gibt und manche gar von Lichtverschmutzung sprechen.   Damals Anfang des 4. Jahrhunderts, als man zuerst in Rom das Weihnachtsfest feierte, hatte das mit Aufstand und Widerstand zu tun: Nicht mehr der Kaiser sollte demnach der wahre Sonnenkönig sein, der herrscht ja von oben herab. Nein, Jesus Christus führt zum wahren Leben, denn er ist eingestiegen in die Niederungen des alltäglichen Lebens. Sein Geburtstag ist zu feiern. Nicht länger soll nun der traurige Satz aus Brechts Dreigroschenoper gelten: „die im Dunkeln sieht man nicht“. Denn dieser Jesus ist einer von ihnen geworden.  Deshalb fing man in Rom an, just zur Wintersonnenwende den Geburtstag Jesu zu feiern: er ist das wahre Licht, das in Dunkel   und Finsternis Orientierung gibt, nicht der Kaiser und andere Größen.

Jüngst erzählte mir eine Krankenhausseelsorgerin: „Noch nie in all den Jahren hat ein Patient widersprochen, wenn ich ihm sagte: Ich zünde für Sie eine Kerze an“. Selbst Menschen, die sich mit Religion und Kirche schwertun, stimmen dankbar zu: Ein Licht anzünden im Dunkel des Lebens, das ist ein starkes Zeichen. Da kann Hoffnung aufkommen, da will der Psalmvers wahr werden: „Du machst meine Finsternis hell“. Im Weihnachtsfest steckt ein erfreulicher Realismus: was dunkel und finster sein kann, muss nicht verdrängt oder ausgeblendet werden.  Nicht nur das Leichte und Schöne im Leben nehmen wir an, auch dem Widrigen und Schlimmen stellen wir uns.  Nicht nur die guten Tage werden durchlebt, auch die schweren und sogar die bösen. Die Herbergssuche der Eltern Jesu in der Weihnachtsgeschichte war kein Vergnügen oder dann die Flucht nach Ägypten. Und auch wer sich heute auf die Flucht begeben muss, gerät in die Dunkelzonen des Lebens.  Mit der Geburt und dem Auftreten Jesu ist Licht ins Dunkel gekommen, Alternativen werden möglich. Deshalb sprechen wir von der geweihten Nacht: die Finsternis weicht. Hoffentlich. Also: Ihnen allen eine gesegnete Weih-Nacht.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34511
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