Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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18DEZ2021
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In der Weihnachtserzählung, die an Heilig Abend in vielen Gottesdiensten vorgelesen wird, spielen die Hirten eine wichtige Rolle. Sie laufen zu dem Kind, das da gerade geboren wird. Wer die Hirten waren? Die meisten haben wohl ein ziemlich romantisches Bild von ihnen. Die Hirten tragen warme Sachen, Felle oder Jacken, sitzen am Lagerfeuer, quatschen miteinander. Und hören irgendwann die Engel singen.

Aber die Wirklichkeit, damals bei Hirten um das Jahr Null herum, die sah ganz anders aus. Hirten waren so ziemlich das Letzte. Wurden verachtet. Spielten keine Rolle. Hirten waren draußen: Auf der Weide und außerhalb der Gesellschaft.

Und gerade die laufen zum Kind. Gerade die sind wach und lassen sich aus der Ruhe bringen. Brechen auf. Glauben daran, dass noch etwas kommen kann, dass sich noch was tut, dass die Welt anders wird.

In unserer Kirche haben wir für die Adventszeit eine Installation aufgebaut. Da hocken drei Hirten und Hirtinnen ums Feuer. Sie hocken ganz unten am Boden. Man muss sich bücken, um die drei zu sehen. Muss genau hingucken, um sie nicht zu übersehen. Solche Menschen gibt es auch heute. Menschen, die nur selten gesehen werden. Menschen, die im Übrigen dafür schuften, dass es anderen gut geht. Am Krankenbett, an der Supermarktkasse, im Pflegeheim, bei der Polizei, in Schulen. Hier gibt es viele unsichtbare Menschen. Aber die trotzdem unendlich wichtig sind dafür, dass unsere Gesellschaft funktioniert. Dass wir alle leben können.

Die Hirten bei uns in der Kirche, die lassen mich nicht los. Die fragen mich, ob ich wach genug bin. Wach genug, all die wirklich zu sehen, die am Rand stehen. Die kaum beachtet werden. Und die gerade deshalb diejenigen sind, die mir zeigen können, was wirklich wichtig ist.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34489
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