SWR2 Wort zum Tag

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11DEZ2021
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Wie zerbrechlich Frieden sein kann habe ich im letzten Advent in Karlsruhe erlebt. Ich war dort unterwegs, um das Friedenslicht aus Betlehem abzuholen, und es in unsere Kirche zu bringen.

Seit 1986 wird jedes Jahr in der Geburtsgrotte Jesu in Betlehem eine Kerze entzündet. Die Flamme wird dann mit dem Flugzeug nach Wien gebracht. Von dort verteilen es Pfadfinder mit dem Zug weiter in ganz Europa. Und so ist das Flämmchen schließlich in meiner mitgebrachten Laterne gelandet.

Ich sitze also auf dem Rückweg in der Straßenbahn mit der Laterne auf dem Schoß. Da steigt eine sehr lebhafte Gruppe Jugendlicher mit schwarzen Jacken, Mützen und dicken Goldketten ein und ein Teil von ihnen sitzt genau mir gegenüber. Der Wortführer fragt mich neugierig: „Mann, was ist das für ein Licht? Überall sind Leute mit Licht. Is Sank Martin oder was?“

Ich erkläre den Jungs, was es mit dem Friedenslicht auf sich hat: dass es direkt aus Bethlehem kommt, wo Jesus geboren wurde. Darauf der Anführer: „Ah Klasse, Jesus macht Frieden.“ Die Fahrgäste um uns herum sind schon auf uns aufmerksam geworden, und einige müssen schmunzeln.

Da kommt mir eine Idee. Ich hatte für alle Fälle noch weitere Teelichter eingepackt. Ich entzünde eins am Friedenslicht in meiner Laterne, überreiche es dem Chef der Gruppe und sage: „Ja genau, Jesus macht Frieden. Und wenn du willst, kannst du ein Licht mit nach Hause nehmen.“ Der Chef ist sichtlich stolz: „Wow krass, ich hab auch ein Jesus-Friedenlicht.“ Die Stimmung um uns herum wird immer heiterer.

Aber plötzlich versucht einer der Jungs, dem Anführer seine Kerze auszublasen. Daraufhin wird der stocksauer und droht: „Ey Mann, wenn du mein Friedenlicht ausbläst, dann hau ich dir eine rein.“ `Na prima´, denke ich. Wenn jetzt eine Schlägerei losgeht, dann hat das Friedenslicht aber mal so richtig versagt. Aber es kommt Gott sei Dank nicht dazu. Ich bin heilfroh.

Eines ist mir an diesem Nachmittag bildlich vor Augen geführt worden: Der Frieden ist eine labile Sache. Egal ob in Betlehem, in den vielen Krisengebieten auf der ganzen Welt, hier bei uns in Deutschland oder in einer Karlsruher Straßenbahn. Aber eines ist sicher: es ist wichtig, sich mit aller Macht für den Frieden einzusetzen und ihn immer wieder anzubieten.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34401
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