SWR2 Wort zum Tag

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08DEZ2021
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Was braucht man, um glücklich zu sein? Die einen brauchen nur ganz wenig, sie sagen: „Weniger ist mehr“. Das sind entweder Menschen, die mit wenig auskommen - asketische Typen, die einfach genügsam sind. Oder aber Menschen, die sich aufs Wesentliche konzentrieren -  Puristen zum Beispiel, die reduziertes Design lieben oder die Einfachheit schön finden.

Es gibt aber auch Menschen die sind vom Gegenteil überzeugt. Ihre Devise, um glücklich zu werden, heißt: „Mehr ist mehr“. Sie gehen in die Vollen, kaufen immer ein bisschen mehr ein als nötig. Oder sie tunen ihre Autos mit allerlei Schnickschnack, den es nicht unbedingt braucht, der in ihren Augen aber dem Auto und dem Leben erst die richtige Würze verleiht.

Weniger oder mehr – da geht es nicht nur darum, was mir besser gefällt oder was ich mir leisten kann.  Es geht um unterschiedliche Lebenseinstellungen oder spirituelle Haltungen. Bei „weniger ist mehr“ könnte es der Wunsch sein, sich frei zu machen von materiellen Dingen, sich nicht ablenken zu lassen. Oder sich bewusst machen, dass alles vergänglich ist: Ich komme von Gott, auf der Erde bin ich nur auf Durchreise, und das Ziel ist wieder Gott. Was soll ich mich da mit unnötigem Reisegepäck rumschlagen? Viele Ordensleute leben nach diesem Konzept, weil sie der Meinung sind, Gott leichter finden zu können, wenn ihn nicht so vieles verdecken kann.

Auch die andere Haltung, das „mehr ist mehr“, kann spirituell überzeugen. Schon die Propheten haben das Paradies gerne mit einem Festmahl verglichen, mit den leckersten Speisen und den erlesensten Weinen – wie es in der Bibel heißt. Und vielleicht sind Luxus und Überfluss ein Hinweis darauf, wie es später mal im Paradies aussehen könnte: an nichts wird es fehlen. Ist es nicht großartig, das schon hier auf der Erde manchmal spüren zu können?

Im Advent begegnen mir beide Haltungen. Einerseits gibt es viele Leckereien, Kerzenlicht und schöne Musik. Andererseits soll der Advent eine Zeit sein, um sich auf das Kommen Jesu zu fokussieren. Eine Zeit, um nicht nur auf Äußerlichkeiten zu schauen, sondern nach innen und aufs Herz zu hören.

Eines haben diese beiden Lebensweisen gemeinsam. Es geht darum, das Glück zu suchen. Die einen finden es im „weniger“, die anderen im „mehr“. Die einen meinen, das Glück schon gefunden zu haben, andere verlieren es gerade und werden bitter enttäuscht. Wieder andere bleiben ein Leben lang auf der Suche. Und vielen hilft es, vom Glück zu träumen, aufs Glück zu hoffen oder ans Glück zu glauben.

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