SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

05DEZ2021
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Macht es einen Menschen schön, wenn er an Gott glaubt? Ich stelle mir diese Frage, weil ich hoffe, dass der Glaube an Gott hilft, unsere schönen Seiten hervorzubringen. Die brauchen wir im zweiten Corona-Winter mehr denn je. Im äußeren Sinn macht der Glaube an Gott kaum schön. Ein Mensch sieht eben aus, wie er aussieht. Ob ein Mann oder eine Frau dann als schön angesehen wird, liegt im Auge des Betrachters. Und jeder wird das anders bewerten. Freilich, es gibt Schönheitsideale. Die wandeln sich nur ständig. Und in jedem Kulturkreis gilt etwas anderes als schön.

Aber die Schönheit eines Menschen bemisst sich nicht nur an äußeren Merkmalen. Ich bin immer wieder Menschen begegnet, die ich von ihrem äußeren Eindruck her nicht attraktiv fand, und die doch immer schöner geworden sind, je besser ich sie kennengelernt habe. Und deshalb behaupte ich, dass man innere Schönheit auch sehen kann. Dass ein Mensch schön ist, weil er ein gutes Herz hat. Dass es mich schön macht, wenn ich zu anderen freundlich bin. Das merkt man oder spürt es. Es verändert den Menschen, wenn er Gutes tut. Christlich gedacht: wenn er so zu sein versucht, wie Gott sich den Menschen gedacht hat, als er unsere Welt und den Menschen in ihr erschaffen hat. Und das hat mit der Liebe zu tun. Weil die Liebe die größte und edelste Eigenschaft ist, die Gott in uns gelegt hat. Die Liebe ist unser schönster Wesenszug. Wer liebt, ist schön.

Ob der Verfasser des Buches Baruch im Alten Testament daran gedacht hat, als er die folgenden Verse aufgeschrieben hat?

Leg ab, Jerusalem, das Kleid deiner Trauer und deines Elends

und bekleide dich mit dem Schmuck der Herrlichkeit, die Gott dir für immer verleiht!

Leg den Mantel der göttlichen Gerechtigkeit an;

setz dir die Krone der Herrlichkeit des Ewigen aufs Haupt!

Denn Gott will deinen Glanz dem ganzen Erdkreis unter dem Himmel zeigen.[1]

Die Worte sind an Jerusalem gerichtet, aber die Hauptstadt von Israel steht hier stellvertretend für das gesamte Volk Gottes, für jeden, der zu Gott gehören will. All die Menschen sind aufgefordert, etwas von ihrer Schönheit zu zeigen. Sich nicht zu verkriechen in Ärger und Frustration, sondern etwas dagegen zu unternehmen. Indem sie hervorkehren, was auch noch in ihnen steckt. Nämlich, dass Gott sie herrlich gemacht hat. Dass sie dieses Herrliche nicht verbergen, sondern so zeigen, dass man es ihnen ansieht. In jedem Menschen steckt ein Glanz, der ihn schön macht. Je mehr sich von diesem Glanz zeigt, desto schöner wird unsere Welt überhaupt.

Wie man diesen Glanz zur Entfaltung bringen könnte, davon gleich mehr im zweiten Teil des Sonntagsgedankens heute.

Macht der Glaube an Gott schön? Darüber denke ich heute in den SWR4-Sonntagedanken vom Zweiten Advent nach.

Schönheit hat zwei Seiten. Eine, die am Äußeren hängen bleibt, und eine, die vom Inneren eines Menschen ausgeht. Ich behaupte: Wenn ein Mensch das Schöne zeigt, das in ihm ist, das übersieht man auf Dauer nicht. Und im Menschen steckt Schönes, es ist nur manchmal verborgen. Was schade ist, weil unsere Welt nur so schön sein kann, wie die Menschen schön sind, die sie gestalten.

Leg Trauer und Elend ab, sagt das biblische Buch Baruch. Dessen Verfasser weiß auch, dass man nicht auf Knopfdruck sein Unglück vergessen und fröhlich sein kann. Aber er macht Mut, sich nicht darin zu verkriechen. Es hilft niemand, sich in seiner Not einzurichten. Das gilt für persönliche Schicksalsschläge genauso wie für den Frust, der viele in der langen Corona-Zeit befällt. Corona ist nicht alles. Und die Behauptung, dass durch Corona alles anders geworden ist, kann und will ich nicht mehr hören, weil das nicht stimmt. Ich sehe schon, dass auch viele in der Kirche den Kopf in den Sand stecken und sich in der schlechten, hässlichen Stimmung eingerichtet haben. Es heißt dann: „Wir müssen absagen…“ oder: „Leider können wir nicht …“ Oh doch, wir können. Wir können so viel. Wir können einander das Gefühl geben, dass wir die Krise gemeinsam durchstehen, dass wir uns nicht unterkriegen lassen. Wir können auch aus der körperlichen Distanz anderen zeigen, dass wir sie gern haben, für sie da sind, dass wir die Einsamen nicht vergessen. Und da ist sie dann, die Herrlichkeit, die Gott in uns gelegt hat und die er zum Leuchten bringen will.

Es ist falsch, wenn wir so tun, als hätten wir keine Möglichkeiten, als wären wir erledigt. Ich sehe schon, dass das nicht allen gelingt. Mir begegnen Menschen, die furchtbar niedergeschlagen sind und sagen, dass sie keine Kraft mehr haben. Aber wir liegen nicht alle gleichzeitig am Boden. Wenn da noch ein Funke in mir ist, der gegen das Dunkel anleuchtet, der hilft anderen, wenn sie ihn sehen. Diesen Funken gilt es hervorzukehren, besonders jetzt im Advent. Weil auch das Schöne an der Hoffnung sich überträgt.

Und das Äußere? Ich schätze das keineswegs gering. Weil der Mensch sich auch an äußeren Zeichen der Schönheit freut. Also lade ich die Nachbarn in meinen Garten ein und wir singen miteinander. Ich lache mit der Schulklasse, denen ich im Wald begegne und die sich für meine Hunde interessieren. Und ich stelle ein Licht ins Fenster. Jeden Abend in der Adventszeit. Und zeige so etwas von dem Glanz, den Gott dem ganzen Erdkreis verleiht.

 

[1] Baruch 5,1-3

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34385
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