SWR2 Wort zum Tag

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25OKT2021
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Herbstfarben. Das sind Farben, die lassen mein Herz aufgehen. Ich mag es zwar auch, wenn alles grün ist. Gerade im Frühjahr nach einem langen Winter. Aber wenn der Herbst kommt, dann geht mir das wirklich nahe. Gerade wenn die Sonne scheint und die unzähligen Rot-, Gelb- und Brauntöne so richtig zum Strahlen bringt. Der Herbst, das ist einfach eine Jahreszeit für die Seele.

Aber erst vor kurzem habe ich gelesen, warum sich überhaupt das Laub verfärbt. Ganz simpel gesprochen: Weil das Grün verschwindet. Dann haben die anderen Farben ihren großen Auftritt. Wenn die Temperaturen sinken, die Tage kürzer werden, das Sonnenlicht abnimmt, dann schalten die Bäume langsam in einen Wintermodus. Ein wichtiger Bestandteil dieses Winterschlafs: Der grüne Farbstoff in den Blättern, Chlorophyll. Der wird jetzt aus den Blättern abgezogen und in Wurzeln, Ästen und im Stamm eingelagert. Dadurch tritt ein faszinierender Effekt ein: Das Grün geht und die gelben, roten und orangen Pigmente des Blattes kommen plötzlich zum Vorschein. Die Farbstoffe stecken immer in den Blättern, werden aber sonst vom Grün überdeckt.

Die Natur ist faszinierend und zauberhaft. Sie ist aber auch eine große Lehrmeisterin für das Leben. Schon seit Anbeginn der Menschheit lesen unsere Vorfahren im Buch der Natur. Für mich ist das Spiel von grünen und gelben oder roten Farbstoffen auch so eine Weisheit aus dem Buch der Natur. Es sagt mir: Wenn etwas zu Ende geht, wenn etwas verschwindet, dann erst kann anders sichtbar werden, ans Tageslicht treten. Etwas vielleicht ebenso Wunderbares, wie das, was nun fehlt und verschwunden ist.

Gerade im Herbst finde ich diesen Gedanken tröstlich. Denn der Herbst, das ist traditionell auch die Zeit des Abschieds. Der Sommer geht und mit ihm die Farben, die Wärme, das Licht. Aber die Biologie der bunten Blätter zeigt mir eben: Wenn etwas oder jemand geht, dann kann auch Neues, Farbiges, Anderes in mein Leben treten. Vielleicht sogar kann ich das erst dann sehen, wenn zuvor etwas zu Ende gegangen ist.

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