SWR2 Wort zum Tag

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23OKT2021
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„Vieldeutig ist das Leben. Nicht weniger vieldeutig ist der Tod.“ Mit diesem Satz beginnt das Buch „Tod“ des Theologen Eberhard Jüngel.  Ende der 1980er Jahre habe ich bei ihm in Tübingen studiert. Nun ist er selbst gestorben, im Alter von 86 Jahren. 

Ich habe mich schon oft gefragt, ob Menschen, die sich intensiv mit dem Tod beschäftigt haben, am Ende anders sterben können. Ärztinnen und Pfleger zum Beispiel. Für die das Sterben zum Berufsalltag gehört. Oder die Mitarbeiter vom Bestattungsinstitut, die Leichen waschen und so zurechtmachen, dass ihre Angehörigen sich von ihnen verabschieden können. Und ich selbst als Pfarrerin. Wie oft bin ich schon über den Friedhof hinter einem Sarg hergegangen!

Vieldeutig ist das Leben. Und vieldeutig ist der Tod. Ich habe dieses Buch noch einmal gelesen; Sätze, die ich als Studentin unterstrichen habe.  Und ich frage mich, ob sie ihn wohl in seinen letzten Tagen und Stunden getröstet haben. „Der Tod ist menschlich“, steht da. Und: „Man kann uns alles nehmen, man kann uns sogar das Leben nehmen, aber den Tod kann man uns nicht nehmen. Er ist unser Ureigenstes.“ Wie ist es, wenn der Tod von einem interessanten Gedankenspiel zum ureigensten wird?

"Das muss nun tapfer ertragen werden," hat Eberhard Jüngel in einem Interview kurz vor seinem 80. Geburtstag zugegeben. Da haben ihn schon heftige Schmerzen in den Augen geplagt. Nur mit großer Mühe konnte er noch lesen. 

Eigentlich wollte er noch ein Buch schreiben. Über das, was nach dem Tod kommt. Um besser „kennenzulernen“, was ihn da eigentlich erwartet. Dazu ist es nicht mehr gekommen. Aber wie er sich das vorstellt, hat er noch verraten. Nämlich so: „Ich glaube nicht, dass im Jenseits alles total anders ist als auf der Erde. Anders, das schon, aber nicht ohne Beziehung zu dem, was ein Mensch erlebt hat. Es gibt schon hier auf der Erde das Phänomen der Liebe. Die Liebe, die uns widerfährt, wenn wir Gott von Angesicht zu Angesicht sehen, ist auch Liebe – aber gesteigert. Es gibt Phänomene hier in Gottes Schöpfung, die sind in der Ewigkeit steigerungsfähig: Lieben, Loben, Danken, Gemeinschaft.“

Wenn das so ist, denke ich, dann wird er hoffentlich getrost gestorben sein.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=34129
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