SWR1 Anstöße sonn- und feiertags

SWR1 Anstöße sonn- und feiertags

02MAI2021
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An den Sonntagen zwischen Ostern und Pfingsten wird in den katholischen Gottesdiensten immer ein Abschnitt aus der Apostelgeschichte gelesen. Das ist die Chronik der ersten Christengemeinde in Jerusalem. Da waren Menschen, die Jesus noch persönlich gekannt haben. Andere kamen dazu, die nur von ihm gehört hatten und beeindruckt waren vom Glauben und von der Ausstrahlung der Gemeinde. Ganz unterschiedliche Menschen, die erst einmal zusammenfinden mussten.

 

In dieser unübersichtlichen Situation kommt einer nach Jerusalem und versucht, ‚sich den Jüngern anzuschließen‘, wie es heißt. Als sie ihn sehen, trauen sie ihren Augen nicht.  Denn er ist kein Unbekannter. Saulus (so heißt er) war einst der Schrecken der jungen Gemeinde. Mit unglaublichem Eifer hatte er sich für den hergebrachten jüdischen Glauben eingesetzt. Und das hieß für ihn auch, diese neue Sekte mit allen Mitteln zu bekämpfen. Und der will jetzt Mitglied werden, einer von denen, die sich zu Jesus bekennen? Unvorstellbar. Aber Saulus ist es ernst. Er hatte eine Begegnung mit dem auferstandenen Christus, die seinem Leben eine ganz neue Richtung gegeben hat.

 

Kann ein Mensch sich ändern? Vielleicht sogar so sehr wie Saulus, der als Zeichen für seine innere Umkehr sogar einen neuen Namen angenommen hat: Paulus. Menschen können sich ändern, kein Zweifel. Viel spannender ist aber, ob sie sich auch ändern dürfen. Ob die, die sie kennen, da mitgehen und ihnen zugestehen, dass sie heute anders denken und handeln als früher einmal. Wenn Menschen sich anders verhalten als ich es erwarte, dann macht mich das oft unsicher und misstrauisch.

 

Für Paulus wurde das zum Problem. Doch er hatte Glück. Denn es gab in der misstrauischen Gemeinde einen einzigen, der ihm geglaubt hat, dass es ihm ernst ist. Es war Barnabas, der Paulus eine Chance gegeben hat. Ihn nicht auf das festgelegt hat, was man von ihm gewusst und erwartet hat.

 

Einen Menschen wie Barnabas, den brauche ich auch manchmal. Einen Menschen, der mir einfach vertraut, notfalls auch gegen den Augenschein. Der mir eine zweite Chance gibt und notfalls auch eine dritte. Und weil wir alle hin und wieder einen solchen Menschen brauchen, möchte auch ich das einüben. So frei werden, so vorurteilslos, so mutig. So wie Barnabas für Paulus, der damals noch Saulus hieß.

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