SWR1 Anstöße sonn- und feiertags

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25APR2021
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Philipp Friedrich Hiller war ein Pfarrer ohne Stimme. Gestern vor 252 Jahren ist er in Steinheim am Albuch gestorben. Heute ist sein Gedenktag.

Ein Pfarrer ohne Stimme? Wie soll das gehen? Ein Pfarrer muss doch laut und verständlich sprechen: im Gottesdienst, im Konfirmandenunterricht oder bei einer Beerdigung auf dem Friedhof.

Philipp Friedrich Hiller war nicht immer ohne Stimme. Erst als er nach Steinheim gekommen ist, haben die Probleme mit der Stimme angefangen. Zuerst war er ständig heiser. Zuletzt konnte er nur noch ganz, ganz leise sprechen. Und so ist das bis zu seinem Tod geblieben – fast 20 Jahre lang.

Viele Menschen in Hillers Kirchengemeinde hat es gestört, dass sie jetzt einen stummen Pfarrer hatten. Einige haben lautstark Hillers Absetzung gefordert. Und ich kann die Leute auch ein bisschen verstehen. Ein Pfarrer ohne Stimme, das ist ja wie ein Schreiner ohne Werkzeug. Mit dem kann man wenig anfangen.

Wahrscheinlich hat Philipp Friedrich Hiller das auch selbst gedacht: „Was soll ich jetzt noch mit mir anfangen?“ Der Verlust seiner Stimme hat ihn komplett ausgebremst. Aber er ist nicht einfach stehen geblieben, und er ist auch nicht verzweifelt. Hiller hat es geschafft, die Krankheit zu akzeptieren. Und er ist einen ganz neuen Weg gegangen.

Ein väterlicher Freund hat ihn dazu ermutigt, sich ab jetzt auf die Seelsorge zu konzentrieren, also für Menschen da zu sein, die Rat suchen oder eine schwierige Zeit im Leben durchmachen. Bei solchen Seelsorgegesprächen kommt es aufs Zuhören an, und man kann auch ganz leise sprechen. Das laute Predigen hat ein junger angehender Pfarrer für Hiller übernommen. 

Und der Freund hat den stummen Pfarrer dazu ermutigt, Lieder zu dichten. Das hat Hiller auch schon vorher gern gemacht. Aber jetzt hat er sich ganz auf diese Begabung konzentriert. Herausgekommen sind in den folgenden Jahren zwei Liederbücher. Über 1000 Lieder hat Philipp Friedrich Hiller in seinem Leben geschrieben. Einige davon finden sich bis heute im evangelischen Gesangbuch. Seine Texte strahlen eine große Glaubensgewissheit aus. Und sie handeln von der Freude darüber, dass Gott sich den Menschen in Jesus Christus zuwendet.

Hillers Lieder haben auch anderen Menschen dabei geholfen, neue Wege zu gehen. Im 19. Jahrhundert sind viele Menschen aus Württemberg nach Südamerika und nach Osteuropa ausgewandert. Mit im Gepäck hatten sie Philipp Friedrich Hillers Liederbücher.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=33037
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