Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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30APR2021
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Überdauerungsorgan – dieses Wort habe ich in diesem Winter zum ersten Mal gehört.

In der Biologie nennt man zum Beispiel Blumenzwiebeln so. Gemeint ist: Im Winter, wenn das Wetter wirklich nicht dafür gemacht ist, um zu wachsen und zu blühen, wartet die Blume in Gestalt ihrer Zwiebel geschützt in der Erde, bis der Frühling kommt. In der Zwiebel ist alles angelegt, was die Blume braucht, um wieder eine Blume zu werden. Bis dahin: Winterruhe als Zwiebel. Frost, Kälte, Schnee werden auf diese Weise gut überstanden. Es ist, als wollte die Pflanze sagen: Dann schauen wir doch einmal, wer hier länger aushält – der Winter oder ich. Und dann hat die Pflanze den Winter tatsächlich überdauert. Was für ein Organ! In diesem Jahr sind die Blumen etwas später dran, weil es etwas länger kalt war. Aber jetzt zeigen sie sich überall. Den Überdauerungsorganen sei Dank.

Ich stelle mir vor: Das wäre schon praktisch, wenn wir Menschen auch so etwas hätten. In schweren Zeiten fahren wir uns sozusagen zurück, ohne Schaden zu nehmen. Aber es ist alles da und wartet nur darauf, bis es sich wieder neu entfalten, wachsen und gedeihen kann.

Klar, so geht das mit uns Menschen nicht. So sind wir nicht gemacht. Wir müssen auch harte Tage und schwere Zeiten bewusst durchstehen und können uns nicht unter die Erde zurückziehen. Aber da ist ja noch unsere Seele, ein kostbarer Schatz voller Erinnerungen und Hoffnungen, die uns Kraft und Zuversicht geben. Für die Bibel ist die Seele tatsächlich so etwas wie ein Überdauerungsorgan, das in uns durch alle Zeiten den Kontakt zu unserem Schöpfer hält. Deshalb sagt die Bibel: „Lobe den Herrn, meine Seele, und was in mir ist seinen heiligen Namen!“ Die Seele kümmert sich darum, dass Gott und ich uns nicht verlorengehen, auch wenn es gerade nicht gut läuft. Damit das, worauf es ankommt, überdauert. Damit ich das Vertrauen in ein gutes Ende nicht verliere, auch wenn ich mich am liebsten verkriechen würde. Und damit ich mich weiter erinnern lasse, was mir Gott geschenkt hat: „Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.“ – Dem Überdauerungsorgan sei Dank!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32999
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